Wie Rüdiger Gunthern empfing

 

 

Hin ging der Markgraf, wo er die Frauen fand,

Sein Weib und seine Tochter. Denen macht er da bekannt

Diese liebe Märe, die er jetzt vernommen,

Dass ihrer Frauen Brüder zu ihrem Hause sollten kommen. (1699)

 

“Meine liebe Traute,” sprach da Rüdiger,

“Ihr sollt sie wohl empfangen, die edeln Könge hehr,

Wenn sie und ihr Gesinde hier zu Hofe gehn;

Ihr sollt auch schön begrüßen Hagen in Gunthers Lehn. (1700)

 

Mit ihnen kommt auch einer mit Namen Dankwart,

Ein andrer heißt Volker, an Ehren wohl bewahrt.

Die sechse sollt ihr küssen, ihr und die Tochter mein,

Und sollt auch in Züchten diesen Recken freundlich sein.” (1701)

 

Das gelobten ihm die Frauen und warens gern bereit:

Sie suchten aus den Kisten manch herrliches Kleid,

Darin sie den Recken entgegen wollten gehn.

Da sah man groß Befleißen von schönen Frauen geschehn. (1702)

 

Gefälschte Frauenzierde gar wenig man da fand;

Sie trugen auf dem Haupte lichtes goldnes Band,

Das waren reiche Kränze, damit ihr schönes Haar

Die Winde nicht verwehten; sie waren höfisch und klar. (1703)

 

In solcher Unmuße lassen wir die Fraun.

Da war ein schnelles Reiten auf dem Feld zu schaun

Von Rüdigers Genossen bis man die Fürsten fand:

Sie wurden wohl empfangen in des Markgrafen Land. (1704)

 

Als sie der Markgraf zu sich kommen sah,

Zu seinen lieben Gästen fröhlich sprach er da:

“Willkommen mir ihr Herren und die in euerm Lehn:

Hier in meinem Lande hab ich euch gerne gesehn.” (1705)

 

Da dankten ihm die Recken in Treuen ohne Hass.

Wie wohl er ihnen wolle, wohl bewies er das.

Besonders grüßt' er Hagen, der war ihm längst bekannt;

So tat er auch mit Volkern aus der Burgonden Land. (1706)

 

Er empfing auch Dankwarten. Da sprach der kühne Degen:

“Wollt ihr uns hier behalten, wer soll dann verpflegen

Unser Ingesinde, das wir hergebracht?

Da sprach der Markgraf: “Ich schaff euch gute Ruh bei Nacht (1707)

 

* Und all dem Gesinde. Was ihr in das Land

Mit euch hergeführet: Ross, Silber und Gewand,

Dem geb ich solche Hüter, nichts geht davon verloren,

Das euch zu Schaden brächte nur um einen halben Sporen. (1708)

 

“Spannet auf, ihr Knechte, die Hütten in dem Feld;

Was ihr hier verlieret, dafür leist ich Entgelt:

Zieht die Zäume nieder und lasst die Rosse gehn.”

Das war ihnen selten von einem Wirte noch geschehn. (1709)

 

Des freuten sich die Gäste. Als das geschehen war

Und die Herrn von dannen ritten, legte sich die Schar

Der Knecht im Grase nieder: Gut ruhen war es da,

Dass ihnen auf der Reise wohl nimmer sanfter geschah. (1710)

 

Die edle Markgräfin mit ihrer Tochter schön

War vor die Burg gegangen; da sah man bei ihr stehn

Minnigliche Frauen und manche schöne Maid;

Sie trugen viel der Spangen und manches herrliche Kleid. (1711)

 

Das edle Gesteine glänzte fern hindann

Aus ihrem reichen Staate: Sie waren wohlgetan.

Da kamen auch die Gäste und sprangen auf den Sand:

Hei! Was man edle Sitten an den Burgonden fand! (1712)

 

Sechsunddreißig Mägdelein und viel andre Fraun,

Die wohl nach Wunsche waren und wonnig anzuschaun,

gingen ihnen entgegen mit manchem kühnen Mann:

Da ward ein schönes Grüßen von edeln Frauen getan. (1713)

 

Die Markgräfin küsste die Könge alle drei;

So tat auch ihre Tochter. Hagen stand dabei.

Den hieß ihr Vater küssen: Da blickte sie ihn an:

Er däuchte sie so furchtbar, sie hätt es lieber nicht getan. (1714)

 

Doch musste sie es leisten wie ihr der Wirt gebot:

Gemischt ward ihre Farbe, bleich und wieder rot.

Sie küsst' auch Dankwarten, darnach den Fiedelmann:

Seiner Kühnheit willen ward ihm das Grüßen getan. (1715)

 

Die junge Markgräfin nahm bei der Hand

Geiselher den jungen von Burgondenland;

So nahm auch ihre Mutter Gunthern den kühnen Mann.

Da gingen mit den Helden die Frauen fröhlich hindann. (1716)

 

Der Wirt ging mit Gernoten in einen weiten Saal,

Die Ritter und die Frauen setzten sich zu Tal.

Da ließ man gleich den Gästen schenken guten Wein:

Besser mochten Helden nimmer wohl empfangen sein. (1717)

 

Mit liebem Blick der Augen sah da mancher an

Rüdigers Tochter, die war so wohlgetan.

Wohl kos't in seinem Sinne sie mancher Ritter gut:

Das mochte sie verdienen; sie trug gar hoch ihren Mut. (1718)

 

Sie dachten was sie wollten; doch konnt es nicht geschehn.

Man sah die guten Ritter hin und wieder spähn

Nach Mägdelein und Frauen; deren saßen da genug.

Dem Wirt geneigten Willen der edle Fiedeler trug. (1719)

 

Da wurden sie geschieden wie Sitte war im Land:

Zu andern Zimmern gingen Ritter und Fraun zur Hand.

Man richtete die Tische in dem Saale weit

Und war den fremden Gästen zu allen Diensten bereit. (1720)

 

Den Gästen ging zu Ehren die edle Markgräfin

Mit ihnen zu den Tischen; die Tochter ließ sie drinn

Bei den Mägdlein weilen, wo sie nach Sitte blieb:

Dass sie die nicht mehr sahen, das war den Gästen nicht lieb. (1721)

 

Als man getrunken hatte und gespeiset überall,

Da führte man die Schönen wieder in den Saal.

Anmutge Reden wurden nicht gescheut,

Viel sprach deren Volker, ein Degen kühn und allbereit. (1722)

 

Da sprach unverhohlen derselbe Fiedelmann:

“Viel reicher Markgraf, Gott hat an euch getan

Nach allen seinen Gnaden: Hat er euch doch gegeben

Ein Weib, ein so recht schönes, dazu ein wonnigliches Leben. (1723)

 

“Wenn ich ein König wäre,” sprach der Fiedelmann,

“Und sollte Krone tragen, zum Weibe nähm ich dann

Eure schöne Tochter: Die wünschte sich mein Mut:

Sie ist minniglich zu schauen, dazu edel und gut.” (1724)

 

* Da sprach der Markgraf: “Wie möchte das wohl sein,

Dass je ein Fürst begehrte der leiben Tochter mein?

Wir sind hier beide fremde, ich und auch mein Weib;

Was hilft die große Schöne an der guten Jungfrau Leib?” (1725)

 

Da versetzte Gernot, der edle Degen gut:

“Und wählt ich eine Traute nach meines Herzens Mut,

So wär ich solches Weibes von ganzer Seele froh.”

Da antwortet' ihm Hagen mit adliger Sitte so: (1726)

 

“Nun soll sich doch beweiben mein Herre Geiselher:

Es ist so hohen Stammes die Markgräfin hehr,

Dass wir ihr gerne dienten, ich und sein ganzes Lehn,

Sollte sie unter Krone bei den Burgonden gehn.” (1727)

 

Diese Rede däuchte Rüdigern gut,

Und auch Gotelinden; wohl freute sich ihr Mut.

Da schufen es die Helden, dass sie zum Weibe nahm

Geiselher der edle; der König durft es ohne Scham. (1728)

 

Soll ein Ding sich fügen, wer kann ihm widerstehn?

Man ließ die Jungfraue hin zu Hofe gehn.

Da schwur man ihm zu geben das wonnigliche Weib;

Da gelobt' auch er zu minnen ihren minniglichen Leib. (1729)

 

Man beschied der Jungfrau Burgen und auch Land.

Da sicherte mit Eiden des edeln Königs Hand

Und Gernot der Degen, es werde so getan.

Da sprach der Markgraf: “Da ich des Landes nicht gewann, (1730)

 

So will ich euch in Treuen immer bleiben hold.

Ich gebe meiner Tochter an Silber und an Gold

Was hundert Saumrosse nur immer mögen tragen,

Dass es diesen Helden nach Ehren möge behagen.” (1731)

 

Da wurden nach der Sitte in einen Kreis gestellt

Die beiden Anverlobten. Mancher junge Held

Mit fröhlichem Mute stand ihr da entgegen,

Er gedachte in seinem Sinne wie noch die Jungen gerne Pflegen. (1732)

 

Als nun begann zu fragen die minnigliche Maid

Ob sie den Recken wolle, zum Teil war es ihr leid;

Doch dachte sie zu nehmen den waidlichen Mann.

Sie schämte sich der Frage, wie manche Maid hat getan. (1733)

 

Ihr riet ihr Vater Rüdiger, dass sie spräche ja,

Und dass sie gern ihn nähme: Wie schnell war er da

Mit seinen weißen Händen, womit er sie umschloss,

Gieselher der Junge! Wie wenig sie ihn doch genoss! (1734)

 

Da sprach der Markgraf: “Ihr edeln Könge reich,

Wenn ihr nun wiederkehret beim in euer Reich,

Wie es doch bald geschiehet, so geb ich euch die Magd,

Dass ihr sie mit euch führet.” Also ward es zugesagt. (1735)

 

Der Schall, den man hörte, der musste nun vergehn.

Man ließ die Jungfrauen zu ihren Kammern gehn,

Und auch die Gäste schlafen und ruhn bis an den Tag.

Da schuf man ihnen Speise; der Wirt sie gütlich verpflag. (1736)

 

Nach dem Imbiss wollten sie von dannen fahren

Zu der Heunen Lande: “Davor will ich euch wahren,”

Sprach der edle Markgraf, “ihr sollt noch hier bestehn;

So liebe Gäste hab ich lange nicht bei mir gesehn.” (1737)

 

Da versetzte Dankwart: “Herr, das kann nicht sein:

Wo nähmet ihr die Speise, das Brot und auch den Wein,

Das ihr doch haben müsstet für so manchen Mann?”

Als der Wirt das hörte, stand ihm die Rede nicht an. (1738)

 

“Meine lieben Herren, ihr dürft mirs nicht versagen.

Ich habe noch die Speise zu vierzehn Tagen

Für euch und das Gesinde, das mit euch hergekommen:

Mir hat der König Etzel noch gar selten was genommen.” (1739)

 

Wie sie sich weigern mochten, sie mussten da bestehn

Bis an den vierten Morgen. Wohl mochte da geschehn

Durch des Wirtes Milde was ferne ward bekannt:

Er gab seinen Gästen beides, Ross und Gewand. (1740)

 

Nicht länger konnt es währen, sie mussten dannen fahren:

Rüdiger der kühne konnte wenig sparen

Vor seiner großen Milde: Was jemand nur begehrt,

Das versagt' er niemand, sie sahn sich alle hoch geehrt. (1741)

 

Ihr edel Ingesinde brachte vor das Tor

Viel geschirrter Rosse; es wartete davor

Mancher fremde Recke, den Schild an seiner Hand,

Weil sie reiten wollten König Etzeln in das Land. (1742)

 

Der Wirt bot seine Gaben den Degen allzumal

Eh die edeln Gäste kamen vor den Saal;

Er mochte wohl mit Ehren in hoher Milde leben.

Seine schöne Tochter hatt er Geiselhern gegeben; (1743)

 

Da gab er Gernoten eine Waffe gut genug,

Die hernach in Stürmen der Degen herrlich trug.

Ihm gönnte wohl die Gabe des Markgrafen Weib;

Doch verlor Rüdiger davon noch Leben und Leib. (1744)

 

Da gab er König Guntern, dem Helden ohne Gleich,

Was wohl mit Ehren führte der edle König reich,

Ob er selten Gab empfangen, ein gutes Streitgewand;

Da neigte sich der König vor des milden Rüdger Hand. (1745)

 

Da bot Frau Goteline, sie durft es ohne Scham,

Auch Hagen holde Gabe: Da sie der König nahm,

So sollt auch er nicht fahren zu dem Hofgelag

Ohn ihr Angebinde: Der Held jedoch widersprach. (1746)

 

“Alles was ich je gesehn,” so sprach da Hagen,

“So wünscht ich nichts weiter von hier hinweg zu tragen

Als den Schild, der dorten hänget an der Wand:

Den möcht ich gerne führen König Etzeln in das Land.” (1747)

 

Als Hagen seine Bitte der Markgräfin getan,

Die ihres Leids sie mahnte, das Weinen kam ihr an.

Da dachte sie mit Schmerzen an ihres Nudung Tod,

Den Wittich hat erschlagen; das schuf ihr Jammer und Not. (1748)

 

Sie sprach zu dem Degen: “Den Schild will ich euch geben.

O wollte Gott im Himmel, dass der noch dürfte leben,

Der einst ihn hat getragen! Er fand im Kampf den Tod.

Ich muss ihn stets beweinen, das schafft mir armen Weibe Not!” (1749)

 

Da erhob sich von dem Sitze die Markgräfin mild,

Mit ihren weißen Händen nahm sie herab den Schild

Und trug ihn hin zu Hagen: Der nahm ihn an die Hand.

Die Gabe war mit Ehren an den Recken gewandt. (1750)

 

Ein Wulst von lichtem Zeuche auf seinen Farben lag:

Bessern Schild als diesen beschien noch nie der Tag.

Er war besetzt mit Steinen: Hätt ihn wer begehrt

Zu kaufen, nach den Kosten war er wohl tausend Marken wert. (1751)

 

Den Schild wegzubringen befahl da Hagen an.

Da kam sein Bruder Dankwart auch zu Hof heran:

Dem gab reicher Kleider Rüdgers Kind genug,

Die er bei den Heunen mit vielen Freuden noch trug. (1752)

 

All die reiche Gabe, die sie hier genommen,

Es wär davon kein Flitter in ihre Hand gekommen,

Wars nicht dem Wirt zu Liebe, der es so gütlich bot.

Sie wurden ihm so feind hernach, dass sie ihn schlagen mussten tot. (1753)

 

Da hatte mit der Fiedel Volker der schnelle Held

Sich hin vor Gotelinde züchtiglich gestellt.

Er geigte süße Töne und sang dazu sein Lied:

So nahm er seinen Urlaub, als er von Bechlaren schied. (1754)

 

Sich ließ die Markgräfin eine Lade näher tragen.

Von freundlicher Gabe mögt ihr nun hören sagen:

Sie nahm daraus zwölf Spangen und schob sie ihm an die Hand:

“Die sollt ihr hinnen führen König Etzeln in das Land, (1755)

 

Und sollt sie mir zu Leibe dort am Hofe tragen:

Wenn ihr wiederkehret, dass man mir möge sagen,

Wie ihr mir habt gedienet bei dem Hofgelagt.”

Wohl nach der Frauen Wunsche tat der Degen hernach. (1756)

 

Der Wirt sprach zu den Gästen: “Nun mögt ihr sicher fahren;

Ich selbst will euch geleiten und vor Raub bewahren,

Dass ihr auf der Straße nicht werdet angerannt.”

Seine Saumrosse, die belud man gleich zur Hand. (1757)

 

Der Wirt war reisefertig nebst fünfhundert Mann

Mit Rossen und mit Kleidern. Da führt' er seinen Bann

Zu dem Hofgelage von dannen wohlgemut:

Nach Bechlaren kehrte nicht einer von den Rittern gut. (1758)

 

Mit minniglichen Küssen der Wirt von dannen schied,

Also tat auch Geiselher, wie ihm die Treue riet.

Sie herzten schöne Frauen mit liebendem Umfahn:

Das mussten bald beweinen viel Jungfrauen wohlgetan. (1759)

 

Da wurden allenthalben die Fenster aufgetan:

Zu den Rossen eilte der Wirt mit seinem Bann.

Sie fühlten wohl im Herzen voraus ihr herbes Leid.

Da weinten viel der Frauen und manche waidliche Maid. (1760)

 

Nach ihren lieben Freunden weinten manche sehr,

Die sie zu Bechlaren ersahen nimmermehr:

Doch ritten sie mit Freuden von hinnen auf den Sand,

An der Donau nieder bis an das heunische Land. (1761)

 

Da sprach zu den Burgonden der Ritter kühn und hehr,

Rüdiger der edle: “Nun darf nicht länger mehr

Verhohlen sein die Kunde, dass wir nach Heunland kommen:

Es hat der König Etzel nie so Liebes vernommen.” (1762)

 

Da ritt der schnelle Bote durchs Östreicherland:

Da ward es allenthalben den Leuten wohlbekannt,

Dass die Helden kämen von Wormes über Rhein.

Des Königs Ingesinde, dem konnt es lieber nicht sein. (1763)

 

Die Boten vordrangen mit den Mähren,

Dass die Nibelungen bei den Heunen wären.

“Du sollst sie wohl empfangen, Kriemhilde, Fraue mein:

Nach großen Ehren kommen dir die lieben Brüder dein.” (1764)

 

Kriemhild die Fraue ging an ein Fenster stehn

Und schaute nach den Brüdern, wie nach Freunden Freunde sehn.

Aus ihres Vaters Lande sah sie manchen Mann.

Als das der König hörte, der hob vor Lust zu lachen an. (1765)

 

“Nun wohl mir dieser Freude,” sprach da Kriemhild,

“Hier bringen meine Freunde gar manchen neuen Schild

Und Panzer glänzend helle: Wer nehmen will mein Gold,

Und meines Leids gedenken, dem will ich immer bleiben hold.” (1766)

 

Abenteuer