Die Angst der Europäer vor Arbeitslosigkeit

Großansicht des Bildes mit der Bildunterschrift: "Besuch" beim Arbeitsamt

 

Für die Deutschen ist die Zahl von fünf Millionen Arbeitslosen ein Schreckgespenst. Die Angst, den Arbeitsplatz zu verlieren, ist groß. Deutschlands Nachbarn haben ähnliche Probleme, kommen aber besser klar.

Ein holländischer Korrespondent hat die "deutsche Krankheit" einmal so beschrieben: "Deutschland ist ein Land geworden, in dem viele unglücklich sind und keine Arbeit mehr haben. Wenn sie aber einen Job haben, möchten sie am liebsten so kurz wie möglich arbeiten." Was ist los im Staate Deutschland, in dem die Stimmung schlecht ist und es unter den Politikern kaum noch Männer und Frauen gibt, die wirklich sagen,wo es lang geht?

Die hohe Arbeitslosigkeit scheint das Land zu lähmen. Es kenne heute jeder einen Arbeitslosen im Bekannten- oder Verwandtenkreis, sagt der Psychologe Bernd Bohn von der Universität Bremen. Und so breite sich das Gefühl weiter aus: Nichts ist mehr sicher, wann wird es mich treffen?

In den Nachbarländern gingen die Menschen anders mit diesen Problemen um.

"Wir haben es in Großbritannien in den 1970er Jahren erlebt, dass Maggie Thatcher einen regelrechten Crashkurs im Erlernen von Flexibilität gemacht hat", erläutert Bohn. Sehr viel angenehmer sei das in den Niederlanden in den späten 1980er Jahren geschehen, wo alle gesellschaftlichen Gruppen, die Bevölkerung, die Unternehmen, die Politiker und die Gewerkschaften an einem Strang gezogen und gesagt hätten: Es muss etwas verändert werden. "Wir müssen flexibler werden, zum Beispiel, wenn die Arbeitslosigkeit kommt, dann müssen wir auch bereit sein, drei oder sechs Monate lang 'unter Wert' zu arbeiten", findet Bohn.

Flexibilität - so heißt das Zauberwort für den Arbeitspsychologen. Und er nennt Beispiele: In

Großbritannien und den USA seien - ebenso wie in Deutschland - viele Menschen nur vorübergehend ohne Job, sie nutzten aber zum großen Teil diese Zeit für eine weitere Qualifizierung, um dann neu einzusteigen, sagt Bohn. Deutsche Politiker packten das Problem recht einseitig an, indem sie immer und immer wieder die Wirtschaft aufforderten, neue Arbeitsplätze zu schaffen. Ein Mentalitätswandel müsse her.

Erwerbsarbeit sei nicht das "ein und alles", um sich selbst, die eigene Persönlichkeit und das Selbstwertgefühl zu begründen. Man müsse dem Ehrenamtoder anderen Tätigkeiten mehr Raum und auch mehr gesellschaftliche Akzeptanz geben; hierbei handele es sich um eine wertvolle Arbeit in der Gesellschaft.

Glossar:

Schreckgespenst, das -eine schlimme und besorgniserregende Vorstellung

klarkommen -zurechtkommen

langgehen -Kenntnis haben; eine Richtung angeben

Gefühl ausbreiten -ein Gefühl oder eine Stimmung macht sich immer stärker bemerkbar

an einem Strang ziehen -gemeinsam etwas bewirken

unter Wert -unter der persönlich empfundenen Bedeutung von Arbeit oder eines Gegenstandes

vorübergehend -zeitweilig, für eine kurze Dauer

Mentalitätswandel, der -eine Veränderung der Geisteshaltung

ein und alles -für jemanden das am meisten Erstrebenswerte

Selbstwertgefühl, das -die Bedeutung und Wichtigkeit, die eine Person sich selbst bemisst

Ehrenamt, das -eine unentgeltliche ausgeübte Tätigkeit (z.B. im Verein)


 

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