Rückkehr der Atomkraft?

Großansicht des Bildes mit der Bildunterschrift: Auch moderne Reaktoren, wie der EPR, sind umstritten.

 

Nach Tschernobyl schien vielen Deutschen die Kernenergie als zu unsicher. Deshalb beschloss die Bundesregierung im Jahr 2000 den Ausstieg aus der Atomkraft. Doch jetzt wird wieder über die Kernkraft diskutiert.

Zurzeit sind in der Welt mehr als 400 Kernreaktoren am Netz. Sie produzieren 16 Prozent der gesamten Elektrizität. In den OECD-Staaten liegt der Anteil bei 24 Prozent, in Europa sogar bei über 33 Prozent des erzeugten Stroms. Die meisten Reaktoren - 103 - gibt es in den USA.

 

"Die Kernkraft ist noch nicht am Ende," sagt Luis Echavarri, Direktor der Kernenergie-Agentur der OECD, der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Es könnte sogar sein, dass sie vor einer Renaissance steht, meint er.

 

Dafür gebe es zwei Gründe. Erstens müsse die künftige Stromversorgung gesichert werden - und zwar zu einem vernünftigen Preis. Zweitens sei in den letzten Jahren klar geworden, dass etwas gegen die Klimaerwärmung unternommen werden muss. Man will weniger Treibhausgas Kohlendioxid ausstoßen. "Und einer der Vorteile der Kernkraft ist, dass sie kein CO2 produziert", gibt Echavarri zu bedenken.

 

Die USA haben die Laufzeiten ihrer Kernkraftwerke jüngst verlängert. China will in den nächsten 15 Jahren 20 neue Meiler errichten. In Europa haben sich Finnland und Frankreich dafür entschieden, einen neuen Reaktortyp zu bauen, den Europäischen Druckwasserreaktor EPR. Das sei der sicherste Meiler aller Zeiten, meinen Befürworter. Andere Experten sind skeptisch.

 

Hinzu kommt: Nicht nur bei den fossilen Energieträgern, auch bei der Kernkraft stellt sich die Frage nach dem Rohstoff. Der schnelle Brüter ist ein Reaktortyp, der sich seinen Brennstoff selber brütet. Mit ihm würden die Uranvorräte Jahrtausende reichen statt Jahrzehnte. Das Problem: Die Brütertechnologie ist viel zu riskant, meinen die Kritiker. Wenn etwas schief geht, könne der Brüter hochgehen wie eine Bombe, sagen sie. Bleibt noch die Frage nach dem Atommüll. Er strahlt für Hunderttausende von Jahren. Die Frage, wie und wo man ihn lagern soll, ist in Deutschland höchst umstritten.

 

Eines jedenfalls ist klar: In Deutschland wird wieder über die Kernkraft diskutiert. Die einen halten sie nach wie vor für zu riskant und gefährlich. Die anderen jedoch möchten sich vor einer Klimakatastrophe schützen und setzen daher lieber aufKernkraft.

 

 

GLOSSAR:

 

Tschernobyl – im sowjetischen Kernreaktor Tschernobyl (in der heutigen Ukraine) ereignete sich am 26. April 1986 eine der schwersten Reaktorkatastrophen der Geschichte

 

zurzeit – im Moment

 

am Netz sein – Strom liefern; in Betrieb sein

 

Renaissance, die – die Wiederkehr; eine Phase, in der etwas wieder interessant wird

 

zu bedenken geben – auf eine Sache hinweisen, über die man nachdenken soll

 

jüngst – gerade erst; vor kurzer Zeit

 

Meiler, der – kurz für: Atommeiler; Atomkraftwerk

 

skeptisch – zweifelnd

 

fossile Energieträger – Energieträger, die aus pflanzlicher und tierischer Materie über Millionen von Jahren entstanden sind, z.B. Kohle, Erdöl

 

schneller Brüter – ein bestimmter Typ des Atomreaktors; der Brüter erzeugt mehr spaltbares Material als er zu Energiegewinnung verbraucht

 

brüten – hier: produzieren von neuem spaltbaren Material durch den Reaktor selbst

 

schief gehen – ein Problem geben; nicht gelingen

 

umstritten – so, dass es Gegner und Befürworter gibt

 

nach wie vor – immer noch

 

auf etwas setzen – auf etwas vertrauen


 

Text 13 2006

Leben am Rande des Eises

Großansicht des Bildes mit der Bildunterschrift: Schneehütte unter gleißender Sonne

 

Die globale Erwärmung bringt das arktische Eis zum Schmelzen: Mensch und Tier müssen sich den veränderten Bedingungen anpassen. Mitunter dauert das länger als der Klimawandel ihnen Zeit lässt.

Die Eisbären der Arktis bewegen sich auf dünnem Eis – im Wort- und im übertragenen Sinne: Die globale Erwärmung lässt das Eis unter ihren Tatzen schmelzen und schneidet die Tiere von ihren herkömmlichen Jagdgebieten ab. Die Folge: Während der Wintermonate können sich die 400-Kilo-Brocken nicht die überlebenswichtigeFettschicht zulegen, die sie für die Sommermonate auf dem Festland brauchen.

Mit der weltweiten Erwärmung friert das Meer im Winter später zu und taut im Sommer früher wieder auf. "Für jede Woche, die das Eis früher aufbricht, wird der Bär um zehn Kilo leichter ans Festland zurückkehren", sagt Peter Prokosch, Geschäftsführer des World Wide Fund for Nature (WWF). Die Lebensbedingungen der etwa 22.000 Tiere hätten inzwischen "dramatische Ausmaße" angenommen.

Die Auswirkungen der kontinuierlichen Erwärmung verändern nicht nur die Lebensbedingungen der Tiere, sondern auch die der Menschen in der Region. Seit Jahrtausenden sind die Eingeborenen in Nordamerika, die Inuit, an das Leben in der Arktis angepasst. Sie jagen Robben und Eisbären, gehen auf Fischzug oder schießen Vögel. Sie nähen ihre Kleidung aus wasserdichter Robbenhaut. Ihre traditionellen Behausungen, die Iglus, sind in rund einer Stunde gebaut. Die veränderte Schnee-Qualität erschwert jedoch den Bau der traditionellen Iglus, denn nur aus hartem, festem Schnee lassen sich die "Ziegel" schneiden. Daher leben viele Inuit inzwischen in Holzhäusern.

Die Inuit sollen mindestens ein Dutzend Bezeichnungen für Schnee haben. Die Gefahr besteht allerdings, dass auch die Inuit bald nur noch drei Wörter brauchen: Schneefall, Pappschnee und Matsch.

 

GLOSSAR:

globale Erwärmung– Anstieg der Durchschnittstemperatur auf der Erde

 

Klimawandel – Veränderung der Wetterbedingungen über einen langen Zeitraum, Klimaveränderung

sich auf dünnem Eis bewegen – etwas Riskantes tun, sehr viel riskieren

im übertragenen Sinne– wenn die Bedeutung eines Wortes oder eines Satzes auch noch auf eine andere Situation angewandt werden kann

Brocken, der – Umgangssprache für jemanden oder etwas sehr Schweres

Festland, das –eine Landfläche, die zu einem Kontinent gehört

Lebensbedingungen, die –Umstände unter denen man lebt

dramatisches Ausmaß –Ereignisse mit weit reichenden Konsequenzen

kontinuierlich –stetig, fortdauernd

Eingeborener –Ureinwohner

sich anpassen –sich den Umständen entsprechend verändern

wasserdicht – wasserundurchlässig

Behausung, die– Haus, Wohnung

traditionell– herkömmlich, überliefert

ein Dutzend – zwölf Stück

Pappschnee – feuchter Schnee, der gut klebt

Matsch – Mischung aus Schnee und Erde


 

Text 14 2006

Der Duden - eine Ikone

Großansicht des Bildes mit der Bildunterschrift: Dr. Konrad Alexander Duden

 

Gibt es ein wichtigeres Buch als dieses in Deutschland? Eines, das bekannter wäre und dabei nicht einmal eine Geschichte erzählt, einen Glauben oder eine Ideologie vertritt? Wohl kaum.

Der Duden ist ein Markenartikel, eine anerkannte Institution, mehr noch, eine Ikone. Er ist nicht nur ein Synonym für korrekte Rechtschreibung. Er zeigt jedem, und besonders jenen, die in ihrer täglichen Arbeit mit Sprache zu tun haben, dass die Vielfalt der deutschen Sprache und Schreibweisen ohne Duden nicht zu beherrschen ist. Es lohnt sich also einen Blick auf die Geschichte des Dudens zu werfen.

Vor 126 Jahren, am 7. Juli 1880, erschien das "Vollständige Orthographische Wörterbuch der deutschen Sprache", verfasstvom Direktor eines Gymnasiums im hessischen Bad Hersfeld, Dr. Konrad Alexander Duden. Im gleichen Jahr wurde Dudens Werk vom Königreich Preußen zur verbindlichenGrundlage der amtlichen Orthographie erklärt und ging als Ur-Duden in die Geschichte ein. Geradezu anarchische Uneinheitlichkeit in der Rechtschreibung hatte damals zur Entstehung des Dudens geführt. Beinahe jedes Amt, jede Schule und jede Zeitungsredaktion besaß eigene Schreibregeln. Es war eine Zeit orthografischer Willkürund Verwirrung.

Durch Beschlüsse der "Orthografischen Konferenz" 1901 in Berlin, auf der Duden mitreden durfte, wurden Regeln bestimmt, die für den gesamten deutschen Sprachraum galten, somit also auch für Österreich und die Schweiz. So hatte der Duden sich vollends durchgesetzt und überstand sogar die beiden Weltkriege des 20. Jahrhunderts inklusive der Aufteilung in zwei deutsche Staaten.

Nach dem Mauerfall erschien 1991 die 20. Auflage des Orthografie-Werkes, der so genannte Einheitsduden. Dann setzten die Jahre der Reformen und großen Auseinandersetzungen über das ein, was künftig als korrekt gelten sollte. 1996 beschlossen die Länder im deutschsprachigen Raum zahlreiche Änderungen. Ab 1998, nach einem entsprechenden Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes, galt das reformierte Regelwerk für Schulen und die öffentliche Verwaltung.

Gleichzeitig setze eine Gegenbewegung ein: Einige Zeitungen und Verlage wehrten sich, die neue Rechtschreibung zu verwenden und auch Bayern und Nordrhein-Westfalen wollten das ganze erst akzeptieren, wenn ein Expertengremium, der so genannte Sprachrat, die Sprachregeln überarbeitet hat. Nun wurde die neue Rechtschreibung abermals reformiert und ein neuer Duden steht in den Buchläden. Gestritten wird über die richtige Schreibweise aber mit Sicherheit weiter.

GLOSSAR

Markenartikel, der– ein Produkt mit einem bestimmten, bekanntem Namen

Ikone, die– ein Heiligenbild, hier: etwas Legendäres

Rechtschreibung, die- die richtige Art und Weise wie man Wörter schreibt

Vielfalt, die– die Fülle, die Reichhaltigkeit

verfassen – schreiben

verbindlich – eine feste Vereinbarung treffen

Orthographie, die– die Rechtschreibung

anarchisch– ohne Ordnung, ohne Herrschaft

Uneinheitlichkeit, die– die Verschiedenartigkeit

Willkür, die– nach Belieben handeln

Beschluss, der – die Entscheidung

Sprachraum– das Gebiet in dem eine bestimmte Sprache gesprochen wird

vollends– vollständig, ganz und gar

Reform, die– die Neugestaltung, die Verbesserung

korrekt– richtig

Regelwerk, das– ein Buch mit Regeln, hier: der Duden

sich gegen etwas wehren– gegen etwas Widerstand leisten

Expertengremium– eine Gruppe von Leuten, die sich gut mit einem Thema auskennt


 

Text 15 2006