Herr Schulze und Herr Tobler

Es schneite. Vor dem Postamt in der Lietzenburger Straße hielt eine große, imposante Limousine.

Zwei Jungen, die mit Schneebällen nach einer Laterne warfen, unterbrachen ihre aufreibende Tätigkeit.

«Mindestens zwölf Zylinder», sagte der Größere.

«Eine klotzige Karosserie», meinte der Kleinere.

Dann pflanzten sie sich vor dem Fahrzeug auf, als handle sich's mindestens um den Sterbenden Gallier oder den Dornauszieher.

Der pelzverbrämte Herr, welcher der klotzigen Karosserie entstieg, glich etwa einem wohlhabenden Privatgelehrten, der regelmäßig Sport getrieben hat. «Einen Moment, Brandes», sagte er zu dem Chauffeur.

Dann trat er in das Gebäude und suchte den Schalter für postlagernde Sendungen.

Der Beamte fertigte gerade einen Jüngling ab. Er reichte ihm ein rosafarbenes Briefchen. Der

Jüngling strahlte, wurde rot, wollte den Hut ziehen, unterließ es und verschwand hastig.

Der Herr im Gehpelz und der Oberpostsekretär lächelten einander an. «Das waren noch Zeiten», sagte der Herr.

Der Beamte nickte. «Und nun sind wir alte Esel geworden. Ich jedenfalls.»

Der Herr lachte. «Ich möchte mich nicht ausschließen.»

«So alt sind Sie noch gar nicht», meinte der Beamte.

«Aber schon so ein Esel!» sagte der Herr vergnügt. «Ist übrigens ein Brief für Eduard Schulze da?»

Der Oberpostsekretär suchte. Dann reichte er einen dicken Brief heraus. Der Herr steckte den Brief in die Manteltasche, bedankte sich, nickte heiter und ging.

Die zwei Jungen standen noch immer vor dem Auto. Sie verhörten den Chauffeur. Er schwitzte bereits. Sie erkundigten sich, ob er verheiratet sei.

«Da hätte ich doch 'n Trauring um», bemerkte er zurechtweisend.

Die Jungen lachten. «Mensch, der nimmt uns auf die Rolle», meinte der Größere.

«So was dürfen Sie mit uns nicht machen», sagte der Kleinere vorwurfsvoll. «Mein Vater hat ihn auch in der Westentasche.»

Als der Herr aus dem Postamt trat, stieg der Chauffeur rasch aus und öffnete den Schlag. «So 'ne Bengels können einen alten Mann glatt ins Krankenhaus bringen», sagte er verstört.

Herr Schulze musterte die Knirpse. «Sollen wir euch einmal ums Viereck fahren?» Sie nickten und schwiegen. «Na, dann rin in die gute Stube!» rief er. Sie kletterten stumm in den Fond.

Die Fahrt ging los. «Dort kommt Arthur!» sagte der Große. Der Kleine klopfte an die Scheibe. Beide winkten stolz. Arthur blieb stehen, blickte den Kameraden verständnislos nach und winkte erst, als das Auto um die Ecke gebogen war.

«Wie viele Kilometer ist Ihr Wagen schon gefahren?» fragte der Kleinere.

«Keine Ahnung», sagte Herr Schulze.

«Gehört er Ihnen denn nicht?» fragte der Größere.

«Doch, doch.»

«Hat 'n Auto und weiß nicht, wie viel Kilometer es gelaufen ist!» meinte der Größere kopfschüttelnd.

Der Kleinere sagte nur: «Allerhand.»

Herr Schulze zog das Schiebefenster auf. «Brandes, wie viel Kilometer ist der Wagen gefahren?»

«60 350 Kilometer!»

«Dabei sieht er noch wie fabrikneu aus», meinte der kleine Junge fachmännisch. «Wenn ich groß bin, kauf ich mir genau denselben.»

«Du wirst niemals groß», bemerkte der andere. «Du wächst nicht mehr.»

«Ich werde so groß wie mein Onkel Gotthold. Der geht nicht durch die Türe.»

«So siehst du aus! Du bleibst 'n Zwerg.»

«Ruhe!» sagte Herr Schulze. «Brandes, halten Sie mal!»

Der Herr ging mit den zwei Jungen in ein Schokoladengeschäft. Sie durften sich etwas aussuchen. - Der Kleinere bekam Marzipanbruch, der Größere Drops mit Fruchtgeschmack.

Und für sich selber kaufte Herr Schulze eine Rolle Lakritzen. Die Verkäuferin rümpfte die Nase.

Dann transportierte Brandes die kleine Gesellschaft in die Lietzenburger Straße zurück. Die beiden Jungen dankten für alles Gebotene, stiegen aus und machten tiefe Verbeugungen.

«Kommen Sie hier öfter vorbei?» fragte der Größere.

«Da würden wir nämlich jeden Tag aufpassen», sagte der Kleinere.

«Das fehlte noch», brummte Brandes, der Chauffeur, und gab Gas.

Die zwei Jungen sahen dem Wagen lange nach. Dann griffen sie in ihre Zuckertüten.

«Ein feiner Kerl», sagte der Kleinere, «aber von Autos hat er keinen Schimmer.»

Das Essen hatte geschmeckt. Isolde, das neue Dienstmädchen, hatte abgeräumt, ohne Frau Kunkel eines Blickes zu würdigen. Johann, der Diener, brachte Zigarren und gab dem Herrn des Hauses Feuer. Fräulein Hilde, Toblers Tochter, stellte Mokkatassen auf den Tisch.

Die Hausdame und der Diener wollten gehen. An der Tür fragte Johann: «Irgendwelche Aufträge, Herr Geheimrat?»

«Trinken Sie eine Tasse Kaffee mit uns! Die Kunkel auch. Und stecken Sie sich eine Zigarre ins Gesicht!»

«Sie wissen doch, dass ich nicht rauche», sagte Frau Kunkel.

Hilde lachte. Johann nahm eine Zigarre. Der Geheimrat setzte sich. «Nehmt Platz, Kinder! Ich habe euch etwas mitzuteilen.»

Hilde meinte: «Sicher wieder etwas Originelles.»

«Entsetzlich», stöhnte die Hausdame. (Sie litt an Ahnungen.)

«Ruhe!» befahl Tobler. «Entsinnt ihr euch, dass ich vor Monaten den Putzblank-Werken schrieb, man solle ein Preisausschreiben machen?»

Die anderen nickten.

«Ihr wisst aber nicht, dass ich mich an eben diesem Preisausschreiben, nachdem es veröffentlicht worden war, aktiv beteiligte! Und was ich bis heute früh selber noch nicht wusste, ist die erstaunliche Tatsache, dass ich in dem Preisausschreiben meiner eigenen Fabrik den zweiten Preis gewonnen habe!»

«Ausgeschlossen», sagte Kunkel. «Den zweiten Preis hat ein gewisser Herr Schulze gewonnen. Noch dazu postlagernd. Ich hab's in der Zeitung gelesen.»

«Aha», murmelte Fräulein Hilde Tobler.

«Kapieren Sie das nicht?» fragte Johann.

«Doch», sagte die Kunkel. «Der Herr Geheimrat verkohlt uns.»

Jetzt griff Hilde ein. «Nun hören Sie einmal gut zu! Mein Vater erzählt uns, er habe den Preis gewonnen. Und in der Zeitung steht, der Gewinner heiße Schulze. Was lässt sich daraus schließen?»

«Dann lügt eben die Zeitung», meinte Frau Kunkel. «Das soll es geben.»

Die anderen bekamen bereits Temperatur.

«Es gibt noch eine dritte Möglichkeit», sagte Tobler. «Ich könnte mich nämlich unter dem Namen Schulze beteiligt haben.»

«Auch das ist möglich», gab Frau Kunkel zu. «Da kann man leicht gewinnen! Wenn man der Chef ist!» Sie wurde nachdenklich und schließlich streng. «Dann konnten Ihnen Ihre Direktoren aber den ersten Preis geben.»

«Kunkel, man sollte Sie mit dem Luftgewehr erschießen», rief Hilde.

«Und dann mit Majoran und Äpfeln füllen», ergänzte Johann.

«Das habe ich nicht verdient», sagte die dicke alte Dame mit tränenerstickter Stimme.

Johann ließ den Mut noch nicht sinken. «Die Direktoren gaben doch den Preis einem ihnen vollkommen fremden Menschen!»

«Ich denke, dem Herrn Geheimrat!»

«Das wussten sie doch aber nicht!» rief Hilde ärgerlich.

«Schöne Direktoren sind das», meinte Frau Kunkel. «So etwas nicht zu wissen! Ha!» Sie schlug sich aufs Knie.

«Schluss der Debatte!» rief der Geheimrat. «Sonst klettre ich auf die Gardinenstange.»

«Da haben Sie's», sagte die Kunkel zu Johann. «Den armen Herrn Geheimrat so zu quälen!»

Johann verschluckte vor Wut eine größere Menge Zigarrenrauch und hustete. Frau Kunkel lächelte schadenfroh.

«Worin besteht denn dieser zweite Preis?» fragte Hilde.

Johann gab hustend Auskunft. «Zehn Tage Aufenthalt im Grandhotel Bruckbeuren. Hin- und Rückfahrt 2. Klasse.

«Ich ahne Fürchterliches», sagte Hilde. «Du willst als Schulze auftreten.»

Der Geheimrat rieb sich die Hände. «Erraten!

Ich reise diesmal nicht als der Millionär Tobler, sondern als ein armer Teufel namens Schulze. Endlich einmal etwas anderes. Endlich einmal ohne den üblichen Zinnober.» Er war begeistert. «Ich habe ja fast vergessen, wie die Menschen in Wirklichkeit sind. Ich will das Glashaus demolieren, in dem ich sitze.»

«Das kann ins Auge gehen», meinte Johann.

«Wann fährst du?» fragte Hilde.

«In fünf Tagen. Morgen beginne ich mit den Einkäufen. Ein paar billige Hemden. Ein paar gelötete Schlipse. Einen Anzug von der Stange. Fertig ist der Lack!»

«Falls sie dich als Landstreicher ins Spritzenhaus sperren, vergaß nicht zu depeschieren», bat die Tochter.

Der Geheimrat schüttelte den Kopf. «Keine Bange, mein Kind. Johann fährt ja mit. Er wird die zehn Tage im gleichen Hotel verleben. Wir werden einander allerdings nicht kennen und kein einziges Wort wechseln. Aber er wird jederzeit in meiner Nähe sein.»

Johann saß niedergeschlagen auf seinem Stuhl.

«Morgen lassen wir Ihnen bei meinem Schneider mehrere Anzüge anmessen. Sie werden wie ein pensionierter Großherzog aussehen.»

«Wozu?» fragte Johann. «Ich habe noch nie etwas anderes sein wollen als Ihr Diener.»

Der Geheimrat erhob sich. «Wollen Sie lieber hier bleiben?»

«Aber nein», erwiderte Johann. «Wenn Sie es wünschen, reise ich als Großherzog.»

«Sie reisen als wohlhabender Privatmann», entschied Tobler. «Warum soll es immer nur mir gut gehen! Sie werden zehn Tage lang reich sein.»

«Ich wüsste nicht, was ich lieber täte», sagte Johann tief traurig. «Und ich darf Sie während der ganzen Zeit nicht ansprechen?»

«Unter gar keinen Umständen. Mit einem so armen Mann wie mir haben Herrschaften aus Ihren Kreisen nichts zu schaffen. Stattdessen dürfen Sie sich aber mit Baronen und internationalen Sportgrößen unterhalten. Richtig, eine Skiausrüstung werden Sie übrigens auch brauchen!»

«Ich kann nicht Skifahren», entgegnete der Diener.

«Dann werden Sie es lernen.»

Johann sank in sich zusammen. «Darf ich wenigstens manchmal in Ihr Zimmer kommen und aufräumen?»

«Nein.»

«Ich werde bestimmt nur kommen, wenn niemand auf dem Korridor ist.»

«Vielleicht», sagte der Geheimrat.

Johann blühte wieder auf.

«Ich bin sprachlos», sagte die Kunkel.

«Wirklich?» fragte Hilde. «Im Ernst?» Tobler winkte ab. «Leere Versprechungen!» «Über fünfzehn Jahre bin ich in diesem Hause», sagte die Kunkel. «Und es war dauernd etwas los. Der Herr Geheimrat hat immer schon zuviel Phantasie und zuviel Zeit gehabt. Aber so etwas ist mir denn doch noch nicht passiert! Herr Geheimrat, Sie sind das älteste Kind, das ich kenne. Es geht mich nichts an. Aber es regt mich auf. Dabei hat mir der Doktor jede Aufregung verboten. Was hat es für Sinn, wenn Sie mich ein Jahr ums andere ins Herzbad schicken, und kaum bin ich zurück, fängt das Theater von vorne an? Ich habe jetzt mindestens hundertzwanzig Pulsschläge in der Sekunde. Und der Blutdruck steigt mir bis in den Kopf. Das hält kein Pferd aus. Wenn ich wenigstens die Tabellen einnehmen könnte. Nein, die Tabletten. Aber ich kriege sie nicht hinunter. Sie sind zu groß. Und im Wasser auflösen darf man sie nicht. Denke ich mir wenigstens. Weil sie dann nicht wirken.» Sie hielt erschöpft inne.

«Ich fürchte, Sie sind vom Thema abgekommen», meinte Hilde.

Der Geheimrat lächelte gutmütig. «Hausdamen, die bellen, beißen nicht», sagte er.

 

Das dritte Kapitel

Mutter Hagedorn und Sohn

Am selben Tage, ungefähr zur gleichen Stunde, klopfte Frau Hagedorn in der Mommsenstraße an die Tür ihres Untermieters Franke. Es ist nicht sehr angenehm, in der eigenen Wohnung an fremde Türen klopfen zu müssen. Aber es lässt sich nicht immer vermeiden. Am wenigsten, wenn man eine Witwe mit einem großen Sohn und einer kleinen Rente ist und wenn der große Sohn keine Anstellung findet.

«Herein!» rief Herr Franke. Er saß am Tisch und korrigierte Diktathefte. «Saubande!» murmelte er. Er meinte seine Schüler. «Die Lausejungen scheinen manchmal auf den Ohren zu sitzen statt auf...»

«Vorsicht, Vorsicht», äußerte Frau Hagedorn. «Ich will das nicht gehört haben, was Sie beinahe gesagt hätten. Wollen Sie eine Tasse Kaffee trinken?»

«Zwei Tassen», sagte Herr Franke.

«Haben Sie schon die Zeitung gelesen?» Die Apfelbäckchen der alten Dame glühten.

Franke schüttelte den Kopf.

Sie legte eine Zeitung auf den Tisch. «Das Rotangestrichene», meinte sie stolz.

Als sie mit dem Kaffee zurückkam, sagte der Untermieter: «Ihr Sohn ist ein Mordskerl! Schon wieder einen ersten Preis! In Bruckbeuren ist es sehr schön. Ich bin auf einer Alpen Wanderung durchgekommen. Wann geht die Reise los?»

«Schon in fünf Tagen. Ich muss rasch ein paar Hemden für ihn waschen. Das ist bestimmt wieder so ein pompöses Hotel, wo jeder einen Smoking hat. Nur mein Junge muss im blauen Anzug herumlaufen. Vier Jahre trägt er ihn nun. Er glänzt wie Speckschwarte.»

Der Lehrer schlürfte seinen Kaffee. «Das wievielte Preisausschreiben ist das eigentlich, das der Herr Doktor gewonnen hat?»

Frau Hagedorn ließ sich langsam in einem ihrer abvermieteten roten Plüschsessel nieder. «Das siebente! Da war erstens vor drei Jahren die große Mittelmeerreise. Die bekam er für zwei Zeilen, die sich reimten. Na, und dann die zwei Wochen im Palace Hotel von Château Neuf. Das war kurz bevor Sie zu uns zogen. Dann die Norddeutsche Seebäderreise. Beim Preisausschreiben der Verkehrsvereine. Dann die Gratiskur in Pystian. Dabei war der Junge gar nicht krank. Aber so etwas kann ja nie schaden. Dann der Flug nach Stockholm. Hin und zurück. Und drei Tage Aufenthalt an den Schären. Im letzten Frühjahr vierzehn Tage Riviera. Wo er Ihnen die Karte aus Monte Carlo schickte. Und jetzt die Reise nach Bruckbeuren. Die Alpen im Winter, das ist sicher großartig. Ich freue mich so. Seinetwegen. Für tagsüber hat er ja den Sportanzug. Er muss wieder einmal auf andere Gedanken kommen. Könnten Sie ihm vielleicht Ihren dicken Pullover leihen? Sein Mantel ist ein bisschen dünn fürs Hochgebirge.»

Franke nickte. Die alte Frau legte ihre abgearbeiteten Hände, an denen sie die sieben Erfolge ihres Sohnes hergezählt hatte, in den Schoß und lächelte. «Den Brief mit den Freifahrscheinen brachte der Postbote heute früh.»

«Es ist eine bodenlose Schweinerei!» knurrte Herr Franke. «Ein so talentierter Mensch findet keine Anstellung! Man sollte doch tatsächlich...» «Vorsicht, Vorsicht!» warnte Frau Hagedorn. «Er ist heute zeitig fort. Ob er's schon weiß? Er wollte sich wieder einmal irgendwo vorstellen.»

«Warum ist er denn nicht Lehrer geworden?» fragte Franke. «Dann wäre er jetzt an irgendeinem Gymnasium, würde Diktathefte korrigieren und hätte sein festes Einkommen.»

«Reklame war schon immer seine Leidenschaft», sagte sie. «Seine Doktorarbeit handelte auch davon. Von den psychologischen Gesetzen der Werbewirkung. Nach dem Studium hatte er mehrere Stellungen. Zuletzt mit achthundert Mark im Monat. Weil er tüchtig war. Aber die Firma ging bankrott.» Frau Hagedorn stand auf. «Nun will ich aber endlich die Hemden einweichen.»

«Und ich werde die Diktate zu Ende korrigieren», erklärte Herr Franke. «Hoffentlich reicht die rote Tinte. Mitunter habe ich das dumpfe Gefühl, die Bengels machen nur so viele Fehler, um mich vor der Zeit ins kühle Grab zu bringen. Morgen halte ich ihnen eine Strafrede, dass sie denken sollen...»

«Vorsicht, Vorsicht!» sagte die alte Dame, steckte die Zeitung wieder ein und segelte in die Küche.

*

Als Doktor Hagedorn heimkam, dämmerte es bereits. Er war müde und verfroren. «Guten Abend», sagte er und gab ihr einen Kuß.

Sie stand am Waschfass, trocknete rasch die Hände und reichte ihm den Brief der Putzblank-Werke.

«Bin im Bilde», sagte er. «Ich las es in der Zeitung. Wie findest du das? Ist das nicht, um aus der nackten Haut zu fahren? Mit der Anstellung war es übrigens wieder Essig. Der Mann geht erst in einem halben Jahr nach Brasilien. Und den Nachfolger haben sie auch schon. Einen Neffen vom Personalchef.» Der junge Mann stellte sich an den Ofen und wärmte die steifen Finger.

«Kopf hoch, mein Junge!» sagte die Mutter.

«Jetzt fährst du erst einmal zum Wintersport. Das ist besser als gar nichts.»

Er zuckte die Achseln. «Ich war am Nachmittag in den Putzblank-Werken draußen. Mit der Stadtbahn. Der Herr Direktor freute sich außerordentlich, den ersten Preisträger persönlich kennen zu lernen, und beglückwünschte mich zu den markanten Sätzen, die ich für ihr Waschpulver und ihre Seifenflocken gefunden hätte. Man verspreche sich einen beachtlichen Werbeerfolg davon. Ein Posten sei leider nicht frei.»

«Und warum warst du überhaupt dort?», fragte die Mutter.

Er schwieg eine Weile. Dann sagte er: «Ich machte dem Direktor einen Vorschlag. Seine Firma solle mir statt der Gratisreise eine kleine Barvergütung gewähren.»

Die alte Frau hielt mit Waschen inne.

«Es war das übliche Theater», fuhr er fort. «Es sei unmöglich. Die Abmachungen seien bindend. Überdies sei Bruckbeuren ein entzückendes Fleckchen Erde. Besonders im Winter. Er wünsche mir viel Vergnügen. Ich träfe dort die beste internationale Gesellschaft und solle ihm eine Ansichtskarte schicken. Er habe keine Zeit, im Winter zu reisen. Er hänge an der Kette. Und ich sei zu beneiden.»

«Es war das übliche Theater?», fragte die Mutter. «Du hast das schon öfter gemacht»?

«Ich habe dir nichts davon erzählt, sagte er. «Du zerbrichst dir wegen deiner paar Groschen den Hinterkopf! Und ich gondle in einem fort quer über die Landkarte. Gratis und franko nennt man das! Jawohl, Kuchen! Jedes Mal bevor ich losfahre, wandert die Witwe Hagedorn stehenden Fußes zur Städtischen Sparkasse und hebt fünfzig Mark ab. Weil sonst der Herr Sohn kein Geld hat, unterwegs eine Tasse Kaffee oder ein kleines Helles zu bezahlen.»

«Man muss die Feste feiern, wie sie fallen, mein Junge.»

«Nicht arbeiten und nicht verzweifeln», sagte er. «Eine Variation über ein altes Thema.» Er machte Licht. «Diese Putzblank-Werke gehören dem Tobler, einem der reichsten Männer, die der Mond bescheint. Wenn man diesen alten Onkel einmal zu fassen kriegte!»

«Nun weine mal nicht», meinte die Mutter.

«Oder wenn wenigstens du auf meine Fahrkarte verreisen könntest! Du bist dein Leben lang nicht über Schildhorn und Werder hinausgekommen.

«Du lügst wie gedruckt», sagte die Mutter. «Mit deinem Vater war ich vor dreißig Jahren in Swinemünde. Und mit dir 1910 im Harz. Als du Keuchhusten hattest. Wegen der Luftveränderung. Ferner möchte ich dir mitteilen, dass wir noch heute abend ins Kino gehen. Es läuft ein Hochgebirgsfilm. Wir nehmen zweites Parkett und werden uns einbilden, wir säßen auf dem Matterhorn.»

«Ich nehme die Einladung dankend an», entgegnete er. «Und wenn ich jemals König von England werden sollte, verleihe ich dir den Hosenbandorden. Das soll meine erste Regierungstat sein. Eventuell erhebe ich dich in den erblichen Adelsstand. Das hängt allerdings davon ab, was es heute abend zu essen gibt.»

«Sülze mit Bratkartoffeln», sagte die Mutter. «Oha!» rief Herr Doktor Hagedorn. «Dann wirst du sogar Herzogin von Cumberland. Das ist eine alte, gute Familie. Einer ihrer Vorfahren hat die englische Sauce entdeckt.»

«Vielen Dank», sagte Frau Hagedorn. «Werden Majestät den blauen Anzug mitnehmen?»

«Natürlich», meinte er. «Es ist einer der glänzendsten Anzüge, die es je gegeben hat.»

*

Später zog die Mutter, vom Fensterriegel bis zum oberen Türscharnier, eine Leine und hängte die Oberhemden des siebenfachen Preisträgers zum Trocknen auf. Dann aßen sie, am Küchentisch, im Schatten der tropfenden Hemden, Sülze mit Bratkartoffeln. Dann brachte die alte Dame dem Lehrer Franke Tee, Teller und Besteck. Und schließlich gingen Mutter und Sohn ins Kino. Es lag in einer verschneiten Seitenstraße und nannte sich großspurig Viktoria-Palast.

«Zweimal Fremdenloge», verlangte Hagedorn.

«Fremdenloge gibt es leider bei uns nicht», sagte das Fräulein an der Kasse.

«Wie dumm, wie dumm!» meinte er. «Nein, ist uns das peinlich! Das verändert die Sachlage gewaltig! Was meinst, liebe Tante, wollen wir unter diesen Umständen lieber wieder nach Hause gehen?»

«Ach nein», sagte die Mutter. «Nun bin ich schon in Berlin zu Besuch. Nun will ich auch etwas erleben.» Währenddem drückte sie ihm heimlich eine Mark fünfzig Pfennig in die Hand.

Das Fräulein dachte nach. «Nehmen Sie doch Orchestersitz.»

«Das geht nicht. Wir sind unmusikalisch», sagte er. «Wissen Sie was, geben Sie zweimal zweites Parkett!»

«Das ist aber ganz vorn», sagte das Fräulein.

«Das wollen wir hoffen», bemerkte die alte Dame hoheitsvoll. «Im Perleberger Stadttheater sitzen wir auch in der ersten Reihe. Wir nehmen stets die vordersten Plätze.» «Mein Onkel ist nämlich Feuerwehrhauptmann», sagte Doktor Hagedorn erklärend und nickte dem Fräulein zu. «Er kann sich's leisten.» Dann reichte er seiner Mutter den Arm, und sie traten gemessenen Schritts in den dunklen Zuschauerraum.

 

Das vierte Kapitel

Gelegenheitskäufe

An den folgenden Tagen ließ sich Geheimrat Tobler wiederholt im Auto nach dem Norden und Osten Berlins fahren. Er besorgte seine Expeditionsausrüstung. Die Schlipse, es waren Stücke von prähistorischem Aussehen, erstand er in Tempelhof. Die Hemden kaufte er in der Landsberger Allee. Drei impertinent gestreifte Flanellhemden waren es. Dazu zwei vergilbte Makohemden, etliche steife Vorhemdchen, zwei Paar Röllchen und ein Paar vernickelter Manschettenknöpfe, deren jeder ein vierblättriges Kleeblatt vorstellte.

In der Neuen Königstraße kaufte er — besonders billig, wegen Aufgabe des Geschäfts — eine Partie Wollsocken. Und in der Münzstraße derbe rindslederne Stiefel. Am Tag der Abreise erwarb er endlich den Anzug! Das ging hinter dem Schlesischen Bahnhof vor sich. In der Fruchtstraße. Der Laden lag im Keller. Man musste sechs Stufen hinunterklettern.

Der Trödler, ein bärtiger Greis, breitete einige seiner Schätze auf dem Ladentisch aus. «So gut wie nicht getragen», sagte er unsicher.

Tobler erblickte zunächst einen verwitterten

Cutaway aus Marengo und hatte nicht übel Lust, ihn zu nehmen. Andrerseits war ein Cutaway doch wohl nicht das geeignetste Kostüm für dreißig Zentimeter Neuschnee.

Daneben lag ein hellbrauner Jackettanzug. Mit kleinen Karos und großen Fettflecken. Und neben diesem der Anzug, den Tobler schließlich wählte. Die Farbe war vor Jahren violett gewesen. Mit hellen Längsstreifen. Die Zeit vergeht.

«Scheußlich schön», sagte Tobler. «Was kostet das Gewand?«

«Achtzehn Mark», entgegnete der Alte. «Es ist der äußerste Preis.»

Der Geheimrat nahm das Jackett vom Bügel und zog es an. Der Rücken spannte. Die Ärmel waren viel zu kurz.

«Nehmen Sie den Cutaway!» riet der alte Mann. «Er kostet zweiundzwanzig Mark, aber die vier Mark Unterschied lohnen sich. Der Stoff ist besser. Sie werden es nicht bereuen.»

«Haben Sie keinen Spiegel?» fragte Tobler.

«Im Hinterzimmer», sagte der Greis. Sie gingen in das Hinterzimmer. Es roch nach Kohl. Der Geheimrat starrte in den Spiegel, erkannte sich dann doch und musste lachen. «Gefalle ich Ihnen?» fragte er.

Der Ladenbesitzer griff, einen Halt suchend, in seinen Bart. «Nehmen Sie den Cutaway!»

Tobler blieb standhaft. «Ich nehme das violette Modell», antwortete er. «Es soll eine Überraschung sein.»

«Insofern haben Sie recht», meinte der Alte.

Tobler zog sich wieder an und zahlte. Der Trödler wickelte den Anzug in braunes Packpapier und brachte den Kunden zur Tür. Bevor er öffnete, befühlte er Toblers Gehpelz, pustete fachmännisch in den Otterkragen und sagte: «Wollen Sie den Mantel verkaufen? Ich würde ihn vielleicht nehmen. Für hundertzwanzig Mark.»

Der Geheimrat schüttelte den Kopf.

«Der Cutaway war Ihnen zu teuer», fuhr der alte Mann fort. «Sie haben kein Geld. Das kommt bei reichen Leuten öfter vor, als arme Leute denken. Na schön. Hundertfünfzig Mark. Bar in die Hand! Überlegen Sie sich's!»

«Es ist ein Andenken», sagte Tobler freundlich und ging.

Der Trödler blickte ihm nach und sah den schweren Wagen und den Chauffeur, der beflissen den Schlag öffnete.

Das Auto fuhr ab. Der alte Mann legte ein Brikett nach und trat vor ein Vogelbauer, das hinterm Ladentisch an der Wand hing. «Verstehst du das?» fragte er den kleinen gelben Kanarienvogel. «Ich auch nicht.»

In Toblers Arbeitszimmer sah es beängstigend aus. Neben den Neuanschaffungen lagen Gegenstände, die der Geheimrat auf dem Oberboden in staubigen Truhen und knarrenden Schränken entdeckt hatte. Ein Paar verrostete Schlittschuhe. Ein warmer Sweater, der aussah, als habe er die Staupe. Eine handgestrickte knallrote Pudelmütze. Ein altmodischer Flauschmantel, graukariert und mindestens aus der Zeit der Kreuzzüge. Eine braune Reisemütze. Ein Paar schwarzsamtene Ohrenklappen mit einem verschiebbaren Metallbügel. Ein Spankorb, der längst ausgedient hatte. Und ein Paar wollene Pulswärmer, die man seinerzeit dem Leutnant der Reserve in den Schützengraben geschickt hatte.

Tobler konnte sich kaum von dem Anblick losreißen. Schließlich ging er ins grüne Eckzimmer hinüber, in dem Johann verdrossen die Anzüge probierte, die ihm vor vier Tagen der beste Zuschneider Berlins angemessen hatte. Die letzten kleinen Schönheitsfehler waren beseitigt worden, und der Geschäftsführer der weltbekannten Firma, der sich persönlich in die Grunewaldvilla bemüht hatte, ließ es an begeisterten Zwischenrufen nicht fehlen.

Johann stand wie ein unschuldig Angeklagter vor dem Pfeilerspiegel. Er ließ sich nacheinander die Jacketts, den Smoking, die Skijoppe und den Frack anziehen, als seien es lauter Zwangsjacken.

Als der biedere grauhaarige Diener zum Schluss im Frack dastand, breitschultrig und schmalhüftig, riss es den Millionär hin. «Johann», rief er, «Sie gleichen einem Botschafter! Ich glaube nicht, dass ich mich je wieder trauen werde, mir von Ihnen die Schuhe putzen zu lassen.»

Der Diener wandte sich um. «Es ist eine Sünde, Herr Geheimrat. Sie werfen das Geld zum Fenster hinaus. Ich bin verzweifelt.»

Der Schneider meinte, das sei ihm, wenn man ihm die Bemerkung gestatten wolle, noch nicht vorgekommen.

«Sie reden, wie Sie es verstehen», sagte der Diener.

Das konnte der Herr nicht abstreiten, und dann empfahl er sich.

Als er draußen war, fragte Johann den Geheimrat: «Gibt es in Bruckbeuren eigentlich Kostümfeste?»

«Selbstverständlich. In solchen Wintersporthotels ist dauernd etwas los.»

Johann zog den Frack aus.

«Wollen Sie sich denn kostümieren?» fragte Tobler erstaunt. «Als was denn?»

Johann zog die Livreejacke an und sagte sehnsüchtig: «Als Diener!»

*

Nach dem Abendessen bat der Geheimrat die anderen, ihm zu folgen. Seine Tochter, Frau Kunkel und Johann begleiteten ihn zögernd. Er öffnete die Tür des Arbeitszimmers und schaltete das Licht ein. Anschließend herrschte minutenlanges Schweigen. Die Schreibtischuhr tickte.

Die Kunkel wagte sich als erste ins Zimmer. Langsam näherte sie sich dem violett gewesenen Anzug aus der Fruchtstraße. Sie befühlte ihn so vorsichtig, als fürchte sie, er könne beißen. Sie schauderte und wandte sich den gestreiften Flanellhemden zu. Von einem der Stühle hob sie die steifen Manschetten und blickte entgeistert auf die vierblättrigen Manschettenknöpfe.

Die gestärkten Vorhemden gaben ihr den Rest. Sie fiel ächzend in einen Klubsessel, setzte sich wuchtig auf die dort liegenden Schlittschuhe, fuhr gehetzt in die Höhe, blickte verwirrt um sich und sagte: «Das überlebe ich nicht!»

«Halten Sie das, wie Sie wollen!» meinte Tobler. «Aber vorher packen Sie, bitte, sämtliche Sachen in den Spankorb!»

Sie warf die Arme empor. «Niemals, niemals!»

Er ging zur Tür. «Dann werde ich eines der Dienstmädchen rufen.»

Frau Kunkel gab sich geschlagen. Sie zerrte den Korb auf den Tisch und packte. «Die Pudelmütze auch?»

Der Geheimrat nickte roh.

Mehrmals schloss sie sekundenlang die Augen, um nicht zusehen zu müssen, was sie tat.

Hilde sagte: «Übermorgen bist du wieder daheim, lieber Vater.»

«Wieso?»

«Sie werden dich hochkantig hinauswerfen.»

«Ich bin froh, dass ich mitfahre», sagte Johann. «Vielleicht sollten wir uns Revolver besorgen. Wir könnten uns dann besser verteidigen.»

«Macht euch nicht lächerlich», meinte Tobler. «Den Preis, den ich gewann, konnte ebenso gut einer gewinnen, der zeitlebens so angezogen ist, wie ich mich zehn Tage lang anziehen werde! Was wäre dann?»

«Den würfen sie auch hinaus», sagte der Diener. «Aber der würde sich nicht darüber wundern.»

«Nun habt ihr mich erst richtig neugierig gemacht», erklärte der Geheimrat abschließend. «Wir werden ja sehen, wer recht behält.»

Es klopfte.

Isolde, das neue Dienstmädchen, trat ein. «Herr Generaldirektor Tiedemann wartet unten im Salon.»

«Ich komme gleich», sagte Tobler. «Er will Vortrag halten. Als ob ich eine Weltreise machte.»

Isolde ging.

«Wo du doch übermorgen wieder zu Hause bist!» meinte Hilde.

Der Vater blieb an der Tür stehen. «Wisst ihr, was ich tue, wenn man mich hinauswirft?»

Sie blickten ihn gespannt an.

«Dann kaufe ich das Hotel und schmeiße die ändern hinaus!»

*

Als auch Johann gegangen war, meldete Hilde hastig ein dringendes Gespräch mit Bruckbeuren an. «Es bleibt kein andrer Ausweg», sagte sie zur Kunkel. «Sonst geht morgen abend die Welt unter.»

«Ihr Herr Vater ist leider übergeschnappt», meinte die Hausdame. «Womöglich schon seit langem, und es ist uns nur nicht aufgefallen. Diese Schlipse! Hoffentlich geht es wieder vorüber.»

Hilde zuckte die Achseln. «Sobald das Gespräch da ist, lassen Sie keinen Menschen ins Zimmer! Außer über Ihre Leiche.»

«Auch dann nicht!» versicherte Frau Kunkel tapfer und stopfte den alten, widerwärtigen Flauschmantel in den Korb. Der Raum nahm langsam wieder sein übliches, vornehmes Aussehen an. «Man ist ja allerlei von ihm gewöhnt», sagte die Hausdame. «Wissen Sie noch, wie er vor zwei Jahren, in der Oper, wie hieß sie doch gleich, dem Dirigenten den Taktstock wegnahm? Der Geheimrat saß genau hinter dem Kapellmeister, der so schön dirigierte. Und oben auf der Bühne lag ein krankes Fräulein im Bett, und die Freundin brachte einen Muff, weil sie an den Händen fror - und fort war das Stöckchen! Der Dirigent drehte sich erschrocken um, und die Zuschauer lachten furchtbar. Dabei war es gar kein Lustspiel! Und das alles wegen einer Wette.»

Hilde blickte ungeduldig aufs Telephon. «Hoffentlich hält ihn der Generaldirektor lange genug fest.»

«Telephonieren Sie doch erst, wenn der Herr Geheimrat abgereist ist!»

«Jetzt oder nie», sagte Hilde. «Im Grunde geht es mich überhaupt nichts an. Mein Vater ist alt genug. Ich mache mir Vorwürfe.»

Die Kunkel schnallte die Korbriemen fest. «Ein kleines Kind ist er! Ich weiß nicht, woran es liegt. Im Grunde ist er doch ein gescheiter Mensch. Nicht? Und so nett und nobel. Aber plötzlich kriegt er den Rappel. Vielleicht liest er zu viel. Das soll sehr schädlich sein. Nun haben wir die Bescherung. Nun fährt er als armer Mann in die Alpen.» Das Telephon klingelte.

Hilde eilte an den Schreibtisch. Es war Bruckbeuren. Die Hotelzentrale meldete sich. Hilde verlangte den Direktor. Es dauerte einige Zeit. Dann sagte Hilde: «Sie sind der Direktor des Grandhotels? Sehr angenehm. Hören Sie, bitte, zu! Morgen abend trifft der Preisträger des Putzblank-Ausschreibens bei Ihnen ein.»

Der Direktor erklärte, er sei orientiert, und es werde ihm ein Vergnügen sein.

«Die Vorfreude ist die schönste Freude», sagte sie. «Dieser Gast wird Ihnen leider Kopfschmerzen verursachen. Er tritt als armer Mann auf, obwohl er Millionär ist. Ein Multimillionär sogar.»

Der Hoteldirektor dankte tausendmal für den Hinweis. Dann erkundigte er sich, weswegen ein Multimillionär als armer Mann auftrete.

«Es ist eine Marotte von ihm», sagte Hilde. «Er will die Menschen studieren. Er will ihre Moral auf Herz und Nieren prüfen. Ich stehe ihm sehr nahe, und mir liegt daran, dass man ihm nicht wehtut. Er ist ein Kind, verstehen Sie? Er darf auf keinen Fall erfahren, dass Sie Bescheid wissen. Er muss sich davon überzeugen, dass man ihn für einen armen Teufel hält und trotzdem behandelt, wie er's gewöhnt ist.»

Der Direktor sagte, das werde sich schon machen lassen. Er fragte dann noch, ob der geheimnisvolle Gast Gepflogenheiten habe, die man auf dezente Weise berücksichtigen könne.

«Eine gute Idee», meinte sie. «Also passen Sie auf! Er lässt sich jeden zweiten Tag massieren. Er sammelt Briefmarken. Abends muss ein warmer Ziegelstein in seinem Bett liegen. Am liebsten isst er Nudeln mit Rindfleisch oder andere Hausmannskost. Mit Getränken ist er wählerischer. Französischen Kognak liebt er besonders. Was noch?»

«Katzen!» sagte Frau Kunkel, welche die Tür fanatisch bewachte.

«Haben Sie siamesische Katzen?» fragte Hilde. «Nein? Besorgen Sie ihm einige! Für sein Zimmer. Ich überweise Ihnen morgen tausend Mark.»

Der Hoteldirektor meinte, er habe alles notiert. Bezahlung komme natürlich nicht in Frage. Sie seien ein großzügiges Hotel. Bis auf die siamesischen Katzen sei außerdem das Programm kinderleicht zu verwirklichen. Doch auch die siamesischen Katzen...

«Der Geheimrat kommt», flüsterte Frau Kunkel aufgeregt.

«Guten Tag», sagte Hilde und legte den Hörer auf.

*

Brandes fuhr sie zum Anhalter Bahnhof. Hilde und die Kunkel kamen mit. Tobler liebte es, wenn seinetwegen Taschentücher geschwenkt wurden.

«Lieber Johann», meinte er im Auto, «vergessen Sie nicht, was ich angeordnet habe. Wir wohnen in München ein paar Stunden im ¢Regina'. Morgen mittag verwandle ich mich in Herrn Schulze. Sie besorgen einen Karton und bringen den Anzug, den ich jetzt anhabe, die Wäsche, Strümpfe und Schuhe zur Post. Ich verlasse das Münchner Hotel im Gehpelz. Wir nehmen ein Taxi. Im Taxi ziehe ich Schulzes Flauschmantel an. Und Sie übernehmen Toblers Pelz. Als den Ihrigen. Vom Starnberger Bahnhof ab kennen wir uns nicht mehr.»

«Darf ich wenigstens Ihren Spankorb zum Zug tragen?» fragte Johann.

«Das kann ich selber», sagte Tobler. «Im übrigen werden wir ab München in getrennten Kupees reisen.»

«Die reinste Kriminalgeschichte», erklärte Hilde.

Nach einer Weile fragte Frau Kunkel: «Wie werden Sie das nur aushalten, Herr Geheimrat? Ohne Massage. Ohne Kognak. Ohne den warmen Ziegelstein. Ohne bürgerliche Küche. Und ohne Ihre Katzen im Schlafzimmer!» Sie zwickte Hilde schelmisch in den Arm.

Tobler erklärte: «Hören Sie bloß damit auf! Mir hängen die alten, lieben Gewohnheiten längst zum Hals heraus. Ich bin heilfroh, dass ich denen endlich einmal entwischen kann.»

«So, so», sagte Frau Kunkel und machte eines ihrer dümmsten Gesichter.

*

Sie kamen ziemlich spät auf den Bahnsteig. Es war gerade noch Zeit, einige überflüssige Ermahnungen anzubringen. Und Johann musste, bevor er einstieg, Hilde hoch und heilig versprechen, mindestens jeden zweiten Tag einen ausführlichen Bericht zu schicken. Er versprach's und kletterte in den Wagen.

Dann fuhr der Zug an. Hilde und Frau Kunkel zückten ihre Taschentücher und winkten. Der Geheimrat nickte vergnügt. Schon glitten die nächsten Waggons an den Zurückbleibenden vorüber. Und eine kleine, alte Frau, die neben dem Zug hertrippelte, stieß mit Hilde zusammen.

«Willst du dich wohl vorsehen!» rief ein junger Mann, der sich aus einem der Fenster beugte.

«Komm du nur wieder nach Hause, mein Junge!» antwortete die alte Frau und drohte ihm mit dem Schirm.

«Auf Wiedersehen!» rief er noch. Hilde und er sahen einander flüchtig ins Gesicht.

Dann rollte der letzte Wagen vorbei. Der D-Zug Berlin-München begab sich, stampfend und schimpfend, auf die nächtliche Reise. Es schneite wieder. Man konnte es vom Bahnsteig aus ganz deutlich sehen.

 

Das fünfte Kapitel

 

Grandhotel Bruckbeuren

Das Grandhotel in Bruckbeuren ist ein Hotel für Stammgäste. Man ist schon Stammgast, oder man wird es. Andre Möglichkeiten gibt es kaum.

Dass jemand überhaupt nicht ins Grandhotel gerät, ist natürlich denkbar. Dass aber jemand ein einziges Mal hier wohnt und dann nie wieder, ist so gut wie ausgeschlossen.

So verschieden nun diese Stammgäste sein mögen, Geld haben sie alle. Jeder von ihnen kann sich's leisten, die Alpen und ein weiß gekacheltes Badezimmer - das gewagte Bild sei gestattet - unter einen Hut zu bringen. Schon im Spätsommer beginnt der Briefwechsel zwischen Berlin und London, zwischen Paris und Amsterdam, zwischen Rom und Warschau, zwischen Hamburg und Prag. Man fragt bei den vorjährigen Bridgepartnern an. Mari verabredet sich mit den altgewohnten Freunden vom Skikurs. Und im Winter findet dann das Wiedersehen statt.

Den Stammgästen entspricht ein außerordentlich dauerhaftes Stammpersonal. Die Skilehrer bleiben selbstverständlich die gleichen. Sie leben ja immerzu in Bruckbeuren. Sie sind im Hauptberuf Bauernsöhne oder Drechsler oder Besitzer von schummrigen Läden, in denen Postkarten, Zigaretten und seltsame Reiseandenken verkauft werden.

Doch auch die Kellner und Köche, Kellermeister und Barkeeper, Chauffeure und Buchhalter, Tanzlehrer und Musiker, Stubenmädchen und Hausburschen kehren zu Beginn der Wintersaison, so gewiss wie der Schnee, aus den umliegenden Städten ins Grandhotel zurück. Nur der eigene Todesfall gilt als einigermaßen ausreichende Entschuldigung.

Der Geschäftsführer, Herr Direktor Kühne, hat seinen Posten seit zehn Jahren inne. Er zieht zwar den Aufenthalt in Gottes freier Natur dem Hotelberuf bei weitem vor. Aber hat er damit unrecht? Er ist ein vorzüglicher Skitourist. Er verschwindet nach dem Frühstück in den Bergen und kommt mit der Dämmerung zurück. Abends tanzt er mit den Damen aus Berlin, London und Paris. Er ist Junggeselle. Die Stammgäste würden ihn sehr vermissen. Er wird wohl Direktor bleiben. Mindestens solange er tanzen kann. Und vorausgesetzt, dass er nicht heiratet.

Der Hotelbetrieb funktioniert trotzdem tadellos. Das liegt an Folter, dem ersten Portier. Er liebt das Grandhotel wie sein eigenes Kind. Und was das Alter anbelangt, könnte er tatsächlich der Vater sein.

Er hat, außer dem tressenreichen Geh rock, einen weißen Schnurrbart, ausgebreitete Sprachkenntnisse und beachtliche Plattfüße. Sein hoch entwickeltes Gerechtigkeitsgefühl hindert ihn daran, zwischen den Gästen und den Angestellten nennenswerte Unterschiede zu machen. Er ist zu beiden gleichermaßen streng.

So liegen die Dinge. - Nur die Liftboys werden des öfteren gewechselt. Das hat nichts mit ihrem Charakter zu tun, sondern lediglich damit, dass sie, beruflich gesehen, zu rasch altern. Vierzigjährige Liftboys machen einen ungehörigen Eindruck.

*

Zwei Dinge sind für ein Wintersporthotel geradezu unentbehrlich: der Schnee und die Berge. Ohne beides, ja sogar schon ohne eines von beiden, ist der Gedanke, ein Wintersporthotel sein zu wollen, absurd.

Außer dem Schnee und den Bergen gehören, wenn auch weniger zwangsläufig, natürlich noch andere Gegenstände hierher. Beispielsweise ein oder mehrere Gletscher. Ein zugefrorener und möglichst einsam gelegener Gebirgssee. Mehrere stille Waldkapellen. Hochgelegene, schwer zu erreichende Almhöfe mit Stallgeruch, Liegestühlen, Schankkonzession und lohnendem Rundblick. Schweigsame, verschneite Tannenwälder, in denen dem Spaziergänger Gelegenheit geboten wird, anläßlich herunterstürzender Äste zu erschrecken. Ein zu Eis erstarrter, an einen riesigen Kristalllüster erinnernder Wasserfall. Ein anheimelndes, gut geheiztes Postamt unten im Ort. Und, wenn es sich machen lässt, eine Drahtseilbahn, die den Naturfreund bis über die Wolken hinaus auf einen strahlenden Gipfel befördert.

Dort oben verliert dann der Mensch, vor lauter Glück und Panorama, den letzten Rest von Verstand, bindet sich Bretter an die Schuhe und saust durch Harsch und Pulverschnee, über Eisbuckel und verwehte Weidezäune hinweg, mit Sprüngen, Bögen, Kehren, Stürzen und Schussfahrten zu Tale.

Unten angekommen, gehen die einen ins Wintersporthotel zum Fünfuhrtee. Die anderen bringt man zum Arzt, der die gebrochenen Gliedmaßen eingipst und die Koffer der Patienten aus dem Hotel in seine sonnig gelegene Privatklinik bringen lässt. Erstens verdienen hierdurch die Ärzte ihren Unterhalt. Und zweitens werden Hotelzimmer für neueingetroffene Gäste frei. Natura non facit saltus.

Jene Touristen, die wohlbehalten ins Hotel zurückgekommen sind, bestellen Kaffee und Kuchen, lesen Zeitungen, schreiben Briefe, spielen Bridge und tanzen. All dies verrichten sie, ohne sich vorher umgekleidet zu haben. Sie tragen noch immer ihre blauen Norwegeranzüge, ihre Pullover, ihre Schals und die schweren, beschlagenen Stiefel. Wer gut angezogen ist, ist ein Kellner.

Tritt man abends, zur Essenszeit oder noch später, in das Hotel, so wird man sich zunächst überhaupt nicht auskennen. Die Gäste sind nicht mehr dieselben. Sie heißen nur noch genau so wie vorher.

Die Herren paradieren in Fracks und Smokings. Die Damen schreiten und schweben in Abendkleidern aus Berlin, London und Paris, zeigen den offiziell zugelassenen Teil ihrer Reize und lächeln bestrickend. So mancher blonde Jüngling, den man droben am Martinskogel die Schneeschuhe wachseln sah, stellt sich bei elektrischem Licht besehen, als aufregend schönes, bewundernswert gekleidetes Fräulein heraus.

Dieser märchenhafte Wechsel zwischen Tag und Abend, zwischen Sport und Bai pare, zwischen schneidender Schneeluft und sanftem Parfüm ist das seltsamste Erlebnis, das die Wintersporthotels dem Gast gewähren. Die lange entbehrte Natur und die nicht lange zu entbehrende Zivilisation sind in Einklang gebracht.

Es gibt Menschen, die das nicht mögen. Insofern handelt es sich um eine Frage des Geschmacks. Und es gibt Menschen, die es nicht können. Das ist eine Geldfrage.

*

Im Grandhotel Bruckbeuren erwartete man den telephonisch angekündigten, geheimnisvollen Multimillionär. In wenigen Stunden würde er da sein. Herr Kühne, der Direktor, hatte eine Skipartie nach dem Stiefel-Joch abgesagt. Außerordentliche Umstände verlangen ungewöhnliche Opfer. Und die Mareks, Sohn und Tochter eines böhmischen Kohlenmagnaten, waren mit Sullivan - einem englischen Kolonialoffizier, der jeden Europaurlaub in Bruckbeuren verbrachte - allein losgezogen. Ohne ihn! Ohne Karl den Kühnen, wie ihn die Stammgäste nannten! Es war schauderhaft.

Er rannte seit dem Lunch, vom Portier Polter missbilligend betrachtet, aus einer Ecke des Hotels in die andere. Er schien allen Eifer, den er dem Unternehmen schuldig geblieben war, in einem Tag abdienen zu wollen.

Schon am frühen Morgen hatte er das gesamte Personal informiert. (Im Verandasaal, wo die Angestellten, bevor die ersten Gäste aus den Zimmern kommen, ihr Frühstück einnehmen.)

«Mal herhören!» hatte er geäußert. «Heute abend trifft ein ziemlich schwerer Fall ein. Ein armer Mann, der ein Preisausschreiben gewonnen hat. Dafür kriegt er von uns Kost und Logis. Andrerseits ist er aber gar kein armer Mann. Sondern ein hochgradiger Millionär. Und außerdem ein großes Kind. Nicht außerdem. Er selber ist das Kind. Aus diesem Grunde will er die Menschen kennen lernen. Einfach tierisch! Aber wir werden ihm seine Kindereien versalzen. Ist das klar?»

«Nein», hatte der Kellermeister kategorisch erklärt. Und die anderen hatten gelacht.

Karl der Kühne war versuchsweise deutlicher geworden. «Unser armer Millionär wird im Appartement 7 untergebracht. Bitte, sich das einzuprägen! Er wird fürstlich behandelt, und Nudeln und Rindfleisch mag er am liebsten. Trotzdem darf er nicht merken, dass wir wissen, wer er ist. Wissen wir ja auch nicht. Verstanden?»

«Nein», hatte Jonny, der Barmixer, geantwortet.

Der Direktor war rot angelaufen. «Damit wir uns endlich besser verstehen, schlage ich folgendes vor: Wer Quatsch macht, fliegt raus!» Damit war er gegangen.

Die siamesischen Katzen trafen am Nachmittag ein. Aus einer Münchner Tierhandlung. Expreß und mit einer ausführlichen Gebrauchsanweisung. Drei kleine Katzen! Sie hüpften fröhlich im Appartement 7 hin und wider, balgten sich zärtlich, tätowierten die Stubenmädchen und hatten, bereits nach einer Stunde, zwei Gardinen und einen Gobelinsessel erlegt.

Onkel Folter, der Portier, sammelte Briefmarken. Der ausgebreitete Briefwechsel der Stammgäste erleichterte dieses Amt. Schon hatte er Marken aus Java, Guinea, Kapstadt, Grönland, Barbados und Mandschuko in der Schublade aufgestapelt.

Der Masseur war für den nächsten Vormittag bestellt. Eine Flasche Kognak, echt französisches Erzeugnis, schmückte die marmorne Nachttischplatte. Der Ziegelstein, der abends warm und, in wollene Tücher gehüllt, am Fußende des Betts liegen würde, war auch gefunden. Die Vorstellung konnte beginnen!

Während des Fünfuhrtees in der Hotelhalle erfuhr Karl der Kühne eine ergreifende Neuigkeit: die Stammgäste wussten schon alles! Erst hielt Frau Stilgebauer, die wuchtige Gattin eines Staatssekretärs, den Direktor fest und wollte den Namen des armen Reichen wissen. Dann wurde Kühne, beim Durchqueren des Bridgesalons, von sämtlichen Spielern überfallen und nach ungeahnten Einzelheiten ausgefragt. Und schließlich verstellte ihm, auf der Treppe zum ersten Stock, Frau von Mallebré, eine eroberungslustige, verheiratete Wienerin, den Weg und interessierte sich für das Alter des Millionärs.

Kühne machte unhöflich kehrt und rannte zum Portier Polter, der, hinter seiner Ladentafel am Hoteleingang, gerade einen größeren Posten Ansichtskarten verkaufte. Der Direktor mußte warten. Endlich kam er an die Reihe. «Einfach tierisch!» stieß er hervor. «Die Gäste wissen es schon! Das Personal muß getratscht haben.»

«Nein, das Personal nicht», sagte Onkel Polter. «Sondern Baron Keller.»

«Und woher weiß es der Baron?»

«Von mir natürlich», sagte Onkel Polter. «Ich habe ihn aber ausdrücklich gebeten, es nicht weiter zu erzählen.»

«Sie wissen ganz genau, daß er tratscht», meinte Kühne wütend.

«Deswegen habe ich's ihm ja mitgeteilt», erwiderte der Portier.

Der Direktor wollte antworten. Aber Mister Bryan kam gerade vollkommen verschneit und mit Eiszapfen im Bart, von draußen und verlangte Schlüssel, Post und Zeitungen. Onkel Polter war noch langsamer als sonst.

Als Bryan weg war, knurrte Kühne: «Sind Sie wahnsinnig?»

«Nein», bemerkte der Portier und machte sorgfältig eine Eintragung in seinem Notizbuch.

Karl der Kühne schnappte nach Luft. «Wollen Sie die Güte haben und antworten?»

Onkel Polter reckte sich. Er war größer als der Direktor. Das heißt: in Wirklichkeit war er kleiner. Aber hinter seiner Portiertheke befand sich ein Podest. Und vielleicht war Polter nur deswegen so streng. Vielleicht wäre er ohne Podest ein andrer Mensch geworden. (Das ist freilich nur eine Vermutung.) «Die Stammgäste mußten informiert werden», sagte er. «Da gibt's gar keinen Streit. Erstens sinkt das Barometer, und wenn die Leute ein paar Tage nicht skifahren können, werden sie rammdösig. Der Millionär ist eine großartige Abwechslung. Zweitens sind nun Beschwerden unmöglich gemacht worden. Stellen Sie sich gefälligst vor, die Gäste würden den Mann hinausekeln, weil sie ihn für einen armen Teufel hielten! Er könnte unser Hotel glatt zugrunde richten. Geld genug hat er ja.»

Karl der Kühne drehte sich um und ging ins Büro.

Der Portier begrüßte jetzt den Skikursus für Fortgeschrittene. Sie waren mit dem Murner Alois vom Pichelstein nach St. Kilian abgefahren und hatten den letzten Autobus versäumt, weil die Marchesa di Fiori versehentlich gegen ein Wildgatter gesaust war. Es war zwar nichts passiert. Aber die Dame hatte auf freiem Felde einen Weinkrampf gekriegt. Und nun kamen sie alle, verfroren und müde, angestolpert.

Der Murner Alois zwinkerte zum Portier hinüber, und Onkel Polter nickte ein wenig. Sie waren sich einig: Diese Leute hatten eine einzige Entschuldigung. Sie waren reich.

 

Das sechste Kapitel