Herrn Kesselhuths Aufregungen

Als Hagedorn erwachte, waren Schulze und Kesselhuth verschwunden. Aber an einem der kleinen Tische, nicht weit von ihm, saß Frau von Mallebré und trank Kaffee.

«Ich habe Sie beobachtet, Herr Doktor», sagte sie. «Sie haben Talent zum Schlafen!»

«Das will ich meinen!» gab er stolz zur Antwort. «Habe ich geschnarcht?»

Sie verneinte und lud ihn zu einer Tasse Kaffee ein. Er setzte sich zu ihr. Sie sprachen zunächst über das Hotel und die Alpen und über das Reisen. Dann sagte sie: «Ich habe das Gefühl, mich bei Ihnen entschuldigen zu müssen, dass ich eine so oberflächliche Frau bin. Ja, ja, ich bin oberflächlich. Es stimmt leider. Aber ich war nicht immer so. Mein Wesen wird jeweils von dem Manne bestimmt, mit dem ich zusammenlebe. Das ist bei vielen Frauen so. Wir passen uns an. Mein erster Mann war Biologe. Damals war ich sehr gebildet. Mein zweiter Mann war Rennfahrer, und in diesen zwei Jahren habe ich mich nur für Autos interessiert.

Ich glaube, wenn ich mich in einen Turner verliebte, würde ich die Riesenwelle können.»

«Hoffentlich heiraten Sie niemals einen Feuerschlucker», meinte Hagedorn. «Überdies soll es Männer geben, denen das Anpassungsbedürfnis der Frau auf die Nerven geht.»

«Es gibt überhaupt nur solche Männer», sagte sie. «Aber ein, zwei Jahre lang findet es jeder reizend.» Sie machte eine Kunstpause. Dann fuhr sie fort: «Ich habe große Angst, dass meine Oberflächlichkeit chronisch wird. Aber ohne fremde Hilfe finde ich nicht heraus.»

«Wenn ich Sie richtig verstehe, halten Sie mich für einen besonders energischen und wertvollen Menschen.»

«Sie verstehen mich richtig», erwiderte sie und sah ihn zärtlich an.

«Ihre Ansicht ehrt mich», sagte er. «Aber ich bin doch schließlich kein Gesundbeter, gnädige Frau!»

«Das ist falsch ausgedrückt», meinte sie leise. «Ich will doch nicht mit Ihnen beten!»

Er stand auf. «Ich muss leider fort und meine Bekannten suchen. Wir werden das Gespräch ein andermal fortsetzen.»

Sie gab ihm die Hand. Ihre Augen blickten verschleiert. «Schade, dass Sie schon gehen, lieber Doktor. Ich habe sehr großes Vertrauen zu Ihnen.»

Er machte sich aus dem Staube und suchte Schulze, um sich auszuweinen. Er suchte Schulze, fand aber Kesselhuth. Dieser sagte: «Vielleicht ist er in seinem Zimmer.» Sie begaben sich also ins fünfte Stockwerk. Sie klopften. Weil niemand antwortete, drückte Hagedorn auf die Klinke. Die Tür war nicht verschlossen. Sie traten ein. Das Zimmer war leer.

«Wer wohnt hier?» fragte Kesselhuth.

«Schulze», antwortete der junge Mann. «Das heißt, von Wohnen kann natürlich gar keine Rede sein. Es ist seine Schlafstelle. Er kommt am späten Abend, zieht seinen Mantel an, setzt die rote Pudelmütze auf und legt sich ins Bett.»

Herr Kesselhuth schwieg. Er konnte es nicht fassen.

«Na, gehen wir wieder!» meinte Hagedorn.

«Ich komme nach», sagte der andere. «Das Zimmer interessiert mich.»

Als der junge Mann gegangen war, begann Herr Kesselhuth aufzuräumen. Der Spankorb stand aufgeklappt auf dem Fußboden. Die Wäsche war durchwühlt. Der Mantel lag auf dem Bett. Schlipse, Röllchen und Socken häuften sich auf dem Tisch. Im Krug und im Waschbecken war kein frisches Wasser. Johann hatte Tränen in den Augen.

Nach zwanzig Minuten war Ordnung! Der Diener holte aus seinem eleganten Jackett ein Etui hervor und legte drei Zigarren und eine Schachtel Streichhölzer auf den Tisch.

Dann eilte er treppab, durchstöberte seine Koffer und Schränke und kehrte, über die Dienstbotentreppe schleichend, in die Dachkammer zurück. Er brachte ein Frottierhandtuch, einen Aschenbecher, eine Kamelhaardecke, eine Vase mit Tannengrün, eine Gummiwärmenasche und drei Äpfel angeschleppt. Nachdem er die verschiedenen Gaben aufgestellt und hingelegt hatte, blickte er sich noch einmal prüfend um, notierte einiges in seinem Notizbuch und ging, wieder über die Hintertreppe, in sein vornehm eingerichtetes Zimmer zurück.

Er war niemandem begegnet.

Hagedorn, der im Schreibsalon, im Spielzimmer, in der Bar, in der Bibliothek und sogar auf der Kegelbahn gesucht hatte, wusste sich keinen Rat mehr. Das Hotel lag wie ausgestorben. Die Gäste waren noch in den Bergen.

Er ging in die Halle und fragte den Portier, ob er eine Ahnung habe, wo Herr Schulze stecke.

«Er ist auf der Eisbahn, Herr Doktor», sagte Onkel Folter. «Hinterm Haus.»

Der junge Mann verließ das Hotel. Die Sonne ging unter. Es schimmerten nur noch die höchsten Gipfel. - Die Eisbahn befand sich auf dem Tennisgelände. Aber es lief niemand Schlittschuh. Die Eisfläche war hoch mit Schnee bedeckt. Am anderen Ende der Bahn schippten zwei Männer. Hagedorn hörte sie reden und lachen. Er ging an dem hohen Drahtgitter entlang, um den Platz herum. Als er nahe genug war, rief er: «Entschuldigen Sie, haben Sie einen großen Herrn gesehen, der Schlittschuhlaufen wollte?»

Einer der beiden Arbeiter rief laut zurück: «Jawohl, mein Lieber! Der große ältere Herr schippt Schnee!»

«Schulze?» fragte Hagedorn. «Sind Sie's wirklich? Ihnen ist wohl die Sicherung durchgebrannt?»

«Keineswegs!» antwortete Schulze heiter. «Ich treibe Ausgleichsgymnastik!» Er hatte die rote Pudelmütze auf dem Kopf sitzen, trug die schwarzen Ohrenklappen, die dicken Strickhandschuhe und zwei Paar Pulswärmer. «Der Portier hat mich als technische Nothilfe eingesetzt.»

Hagedorn betrat, tastenden Schritts, die gekehrte Eisfläche und lief vorsichtig zu den beiden Männern hinüber.

Schulze schüttelte ihm die Hand.

«Aber das gibt's doch gar nicht», meinte der junge Mann verstört. «So eine Unverschämtheit! Das Hotel hat doch Angestellte genug!»

Sepp, der Gärtner und Skihallenwächter, spuckte in die Hände, schippte weiter und sagte: «Freilich hat es das. Es dürfte eine Schikane sein.»

«Ich kann das nicht finden», erklärte Schulze. «Der Portier ist um meine Gesundheit besorgt.»

«Kommen Sie sofort hier weg!» sagte Hagedorn.

«Ich werde den Kerl ohrfeigen, bis er weiße Mäuse sieht!»

«Mein Lieber», sagte Schulze. «Ich bitte Sie noch einmal, sich nicht in diese Angelegenheit hineinzumischen.»

«Ist noch eine Schippe da?» fragte der junge Mann.

«Das schon», meinte der Sepp. «Aber der halbe Platz ist gekehrt. Das andere schaff ich allein. Gehen S' jausen, Herr Schulze!»

«War ich sehr im Wege?» fragte der ältere Herr schüchtern.

Der Sepp lachte. «Leicht! Studiert haben S' nicht auf das Schippen.»

Schulze lachte auch. Er verabschiedete sich kollegial, drückte dem Einheimischen ein paar Groschen in die Hand, lehnte sein Handwerkszeug ans Gitter und ging mit Hagedorn durch den Park ins Hotel zurück. «Morgen lauf ich Schlittschuh», sagte er. «Aber vielleicht kann ich's gar nicht mehr. Zu dumm, dass keine Wärmbude da ist. Das war immer das Schönste am Eislaufen.»

«Ich ärgere mich», gestand Hagedorn. «Wenn Sie jetzt keinen Krach machen, werden Sie spätestens übermorgen die Treppen scheuern. Beschweren Sie sich wenigstens beim Direktor!»

«Der Direktor steckt doch auch dahinter. Man will mich hinausekeln. Ich finde es sehr spannend.» Schulze hob seinen Arm unter den des jungen Mannes. «Es ist eine Marotte von mir. Knurren Sie nicht! Vielleicht verstehen Sie mich später einmal!»

«Das glaube ich kaum», antwortete Hagedorn. «Sie sind zu gutmütig. Deshalb haben Sie's auch in Ihrem Leben zu nichts gebracht.»

Der andere musste lächeln. «Genau so ist es. Ja, es kann nicht jeder Mensch Thronfolger von Albanien sein.» Er lachte. «Und nun erzählen Sie mir ein bisschen von Ihren Liebesaffären! Was wollte denn die dunkle Schönheit, die auf die Terrasse kam, um Ihren Schlaf zu bewachen?»

«Es ist eine Frau von Mallebré. Und ich soll sie unbedingt retten. Sie gehört nämlich zu den Frauen, die das Niveau des Mannes annehmen, in den sie gerade verliebt sind. Auf diesem Wege hat sie sich nun eine Oberflächlichkeit zugezogen, die sie endlich wieder loswerden will. Zu dieser Kur braucht sie umgehend einen gebildeten, geistig hoch stehenden Menschen. Und der bin ich!»

«Sie Ärmster», sagte Schulze. «Wenn die Person nur nicht so hübsch wäre! Na, und die Blondine aus Bremen, will die auch gerettet werden?»

«Nein. Frau Casparius ist für die einfachere Methode. Sie behauptet, wir zwei seien jung und unbeschäftigt; und es sei eine Sünde, wenn wir einander etwas abschlügen. Sie wollte sich bereits gestern abend die drei siamesischen Katzen ansehen.»

«Vorsicht, Vorsicht!» sagte Schulze. «Welche gefällt Ihnen besser?»

«Ich bin für Flirts zu schwerfällig. Und ich möchte so bleiben. Auf Erlebnisse, über die man sich hinterher ärgert, bin ich nicht mehr neugierig. Andererseits: Wenn sich Frauen etwas in den Kopf gesetzt haben, führen sie es meistens durch. Sagen Sie, Schulze, könnten Sie nicht ein bisschen auf mich aufpassen?»

«Wie eine Mutter», erklärte der andere pathetisch. «Die bösen Frauen dürfen Ihnen nichts tun.»

«Verbindlichen Dank», sagte Hagedorn.

«Als Belohnung kriege ich aber jetzt in Ihrem Salon einen Kognak. Schneeschippen macht durstig. Außerdem muss ich den kleinen Katzen guten Tag sagen. Wie geht's ihnen denn?»

«Sie haben schon nach Ihnen gefragt», erklärte der junge Mann.

*

Währenddessen saß der angebliche Schifffahrtslinienbesitzer Kesselhuth in seinem Zimmer und verfasste einen verzweifelten Brief. Er schrieb:

«Liebes Fräulein Hildegard!

Ich habe mich wieder einmal zu früh gefreut. Ich dachte schon, es wäre alles soweit gut und schön. Aber als Doktor Hagedorn und ich heute nachmittag den Herrn Geheimrat suchten, fanden wir ihn nicht. Hagedorn hat natürlich keine blasse Ahnung, wer Herr Schulze in Wirklichkeit ist.

Wir suchten den Herrn Geheimrat in seinem Zimmer. Und das ist wohl das Verheerendste, was sich denken lässt. Dieses Zimmer liegt im fünften Stock, hat lauter schiefe Wände und ist überhaupt kein Zimmer, sondern eine Rumpelkammer mit Bett. Es gibt keinen Ofen und nichts. Das Fenster ist direkt überm Kopf. Der Schnee tropft herein und wird zu kleinen Eiszapfen. Ein Schrank ist keiner da. Sondern die Wäsche liegt auf dem Tisch und in dem Spankorb, den Sie ja kennen.

Wenn Sie diese hundekalte, elende Bude sehen würden, fielen Sie sofort um. Von Frau Kunkel gar nicht zu reden.

Ich habe selbstverständlich sofort aufgeräumt. Und Zigarren und Äpfel auf den Tisch gelegt. Nebst einer Vase mit Tannenzweigen drin. Als Schmuck. Morgen kauf ich eine elektrische Heizsonne im Ort. Hoffentlich gibt es eine solche. Die stelle ich heimlich hin. Ein Kontakt ist da. Heute hat mich niemand gesehen. Das ist ein Glück. Denn der Geheimrat will nicht, dass ich hinaufkomme. Weil ich ein reicher Mann sein muss. Und weil ich nicht merken soll, wie er wohnt. Er hat mir nämlich erzählt, sein Zimmer sei reizend und luftig.

Luftig ist es ja wirklich. Wenn er uns bloß nicht krank wird!

Nicht einmal die Zimmernummer hat er mir gesagt! Das Zimmer hat gar keine Nummer. Aber er verschwieg sie nicht nur deswegen, sondern auch, damit ich die Rumpelkammer nicht finde. Er hätte sie allerdings auch nicht sagen können, wenn er gewollt hätte. Doch er wollte ja gar nicht.

Ich weiß kaum, was ich machen soll. Denn wenn ich ihn bitte, umzuziehen oder abzureisen, wird er mich wieder beschimpfen. Oder ich muss sofort nach Berlin zurück, und was soll dann werden? Sie kennen ihn ja. Wenn auch nicht so lange wie ich. In dieser Rumpelkammer würde bestimmt kein Diener wohnen bleiben, sondern beim Arbeitsgericht klagen.

Über mich ist nichts weiter zu erzählen. Heute früh hatte ich die erste Skistunde. Die Bretteln sind sehr teuer. Doch mir kann es nur recht sein. Ich soll ja das Geld hinauswerfen. Der Skilehrer heißt Toni Graswander. Toni ist Anton. Ich habe ihn gefragt. - Er hat mir auf einer Übungswiese gezeigt, wie man's machen soll. Das Absatzheben und die Stöcke und andere Dinge. Leider lag die Wiese auf einem Berg. Und plötzlich fuhr ich ab, obwohl ich gar nicht wollte. Es hat sicher sehr komisch ausgesehen. Trotzdem hatte ich Angst, weil es so rasch fuhr. Ich bin, glaube ich, bloß vor Schreck nicht hingefallen. Zum Glück waren keine Bäume in der Gegend. Ich sauste sehr lange bergab. Dann fuhr ich über eine große Wurzel. Und sprang hoch. Und fiel mit dem Kopf in den Schnee. Mindestens einen Meter tief.

Später wurde ich von zwei Herren herausgezogen. Sonst wäre ich eventuell erstickt. Die zwei Herren waren der Geheimrat und der Doktor Hagedorn. Das war sicher Schicksal. Finden Sie nicht auch? Morgen habe ich die zweite Stunde. Das hilft nun alles nichts.

Liebes Fräulein Hilde, jetzt ziehe ich den Smoking an und gehe zum Abendessen. Vorläufig die herzlichsten Grüße. Ich lasse das Kuvert offen. Womöglich ist schon wieder etwas Neues eingetreten. Hoffentlich nein. Also bis nachher.»

*

Das Abendessen verlief ohne Störungen. Hagedorn bekam Nudeln mit Rindfleisch. Die Herrschaften, die an den Nachbartischen saßen und Hors d'uvres und gestowte Rebhühner verzehrten, blickten auf Hagedorns Terrine, als sei Nudelsuppe mit Rindfleisch die ausgefallenste Delikatesse.

Schulze bekam einen Teller ab, weil er sagte, er esse es für sein Leben gern. Dann ging er schlafen. Er war müde.

Als er in seine Dachkammer trat, staunte er nicht wenig. Er kannte sich nicht mehr aus, bewunderte die Ordnung, beschnupperte die Zigarren und Äpfel und streichelte die Tannenzweige. Die Gummiwärmeflasche schob er verächtlich beiseite. Aber die Kamelhaardecke breitete er übers Bett.

Er war über Johanns heimliche Fürsorge gerührt, nahm sich jedoch vor, Herrn Kesselhuth am nächsten Tag auszuzanken. Dann kleidete er sich zum Schlafengehen an, holte einen der Äpfel vom Tisch, kroch ins Bett, löschte das Licht aus und biß begeistert in den Apfel hinein.

Es war fast wie in der Kindheit. -

Hagedorn und Kesselhuth saßen noch in der Halle und rauchten Zigarren. Sie schauten dem eleganten Treiben zu. Karl der Kühne kam an den Tisch und erkundigte sich, ob die Herren den Tag angenehm verbracht hätten. Dann entfernte er sich wieder, um andere Gäste zu begrüßen und um sich in der Bar als Tänzer zu betätigen. Fräulein Marek tanzte mit ihm am liebsten.

Hagedorn erzählte sein Erlebnis von der Eisbahn. Herr Kesselhuth geriet vollkommen außer sich. Er war unfähig, sich noch zu unterhalten, entschuldigte sich und ging stracks in sein Zimmer.

Hagedorn wurde etwas später von einem schlesischen Fabrikanten ins Gespräch gezogen, der herausfinden wollte, ob der junge Millionär geneigt sei, sich mit etlichen hunderttausend Mark an der Wiedereröffnung einer vor Jahren stillgelegten Großspinnerei zu beteiligen. Hagedorn betonte unentwegt, dass er keinen Pfennig Geld besitze. Aber Herr Spalteholz hielt das für Ausflüchte und pries die Gewinnmöglichkeiten in immer glühenderen Farben. Schließlich lud er den Herrn Doktor in die Bar ein. Hagedorn lief geduldig mit. Um den reichlich zwecklosen Gesprächen zu entgehen, tanzte er abwechselnd mit Frau von Mallebré und Frau Casparius. Herr Spalteholz aus Geiwitz saß meistens allein am Tisch und lächelte gewinnend.

Hagedorn merkte allmählich, dass es sich lohnte, bald mit der einen, bald mit der anderen Dame zu tanzen. Die Eifersucht wuchs. Die Rivalin trat in den Vordergrund. Und der Mann, um den sich's drehte, wurde Nebensache.

Er verschwand, ohne sich lange zu verabschieden, besuchte rasch noch den Schneemann Kasimir, verschönte ihn durch einen Schnurrbart aus zwei Raubvogelfedern, die er im Walde gefunden hatte, und ging in sein Appartement. Auch er war müde.

*

Inzwischen beendete Johann den Brief an Fräulein Tobler. Der Schluss lautete folgendermaßen:

«Ich habe schon wieder etwas erfahren. Etwas Entsetzliches, gnädiges Fräulein! Am Nachmittag hat der Portier, ein widerlicher Kerl, den Herrn Geheimrat auf die Eisbahn geschickt. Dort musste er mit einem gewissen Sepp Schnee schippen. Ist es nicht grauenhaft, dass ein so gebildeter Mann wie Ihr Herr Vater in einem Hotel als Straßenkehrer beschäftigt wird? Der Herr Geheimrat soll allerdings sehr gelacht haben. Und er hat dem Doktor Hagedorn verboten, etwas dagegen zu unternehmen. Dabei könnte der Herr Doktor sehr viel erreichen, da man ihn ja für den Millionär hält.

Ich bin restlos durcheinander, liebes Fräulein Hilde! Soll ich mich nicht hineinmischen? Ihr Herr Vater tut ja trotzdem, was er will. Schreiben Sie mir bitte doch umgehend! Falls Sie es für richtig halten sollten, werde ich mich mit dem Herrn Geheimrat furchtbar zanken und verlangen, dass er ein anderes Zimmer nimmt oder abreist oder sich zu erkennen gibt. Der Herr Doktor sagt selber: Wenn das so weitergeht, muss Schulze nächstens die Treppen scheuern und Kartoffeln schälen. Glauben Sie das auch? Der Herr Geheimrat soll in Bruckbeuren scheuern? Er hat doch keine Ahnung, wie das gemacht wird!

Ich warte dringend auf Nachricht von Ihnen und verbleibe mit den besten Grüßen

Ihr unverbrüchlicher Johann Kesselhuth.»

 

Das elfte Kapitel