A) Begriff der Sonderlexik

Vorlesung 5.

Sozial-berufliche und territoriale Differenzierung des deutschen Wortschatzes.

1. Soziale Differenzierung des deutschen Wortschatzes

a) Begriff der Sonderlexik

b) Fach- und Berufswortschatz

c) Gruppenwortschatz

2. Territoriale Differenzierung des deutschen Wortschatzes

a) die Nationalsprache

b) die deutschen Mundarten

c) Umgangssprache

Soziale Differenzierung des deutschen Wortschatzes

a) Begriff der Sonderlexik

Die Sprache ist ein Produkt der kognitiven Tätigkeit von vielen Generationen miteinander kommunizierender Menschen. Jede soziale Gruppe hat ihre Spezifik, die die Herausbildung von verschiedenen Gruppenwortschätzen bedingt.

Der Wortschatz sozialer Gruppen mit gemeinsamen Interessen, Lebens- und Arbeitsbedingungen heißt Sonderlexik (Sonderwortschatz, Soziolekt).

Das ist keine selbstständige Erscheinungsform der Sprache, sondern ein eigentümlicher Wortschatz, der von diesen Gruppen gebraucht wird. Dabei geht es um sprachliche Besonderheiten der ganzen Gruppe, nicht um individuelle Abweichungen von der Norm.

Die Sonderlexik wird nach ihrer funktionalen Beschaffenheit in 2 große Gruppen eingeteilt:

1) Sonderwortschätze verschiedener Berufe und Zweige der Wissenschaft

2) Sonderlexik der sozialen und der Altersgruppen

 

b) Fach- und Berufswortschatzlässt sich in drei Gruppen einteilen:

1. Termini /Fachwortschatz

2. Berufslexik / Professionalismen / Halbtermini

3. Fachjargonismen / Berufsjargonismen

 

1. Termini / Fachwörter – fachbezogene Wörter, die in fachgebundener Kommunikation realisiert werden.

Termini haben folgende wesentliche Merkmale:

· Sie sind nur durch eine Definition in Rahmen einer Theorie zu erklären. Die Definition erfolgt dabei durch einen spezifischen Kontext. Das Verständnis des Terminus setzt Kenntnisse seiner Systemgebundenheit voraus.

· Termini sind Elemente eines terminologischen Systems, sie sind eindeutig, genau und besitzen eine bestimmte Stellung in der terminologischen Hierarchie.

· Der Inhalt eines Terminus nähert sich dem höchsten Grad der begrifflichen Abstraktion.

· Termini sind in der Regel stilistisch neutral.

· Viele Termini sind Internationalismen oder Kunstwörter aus altgriechischen und lateinischen Elementen: Biologie, Bionik, Biopsie usw.

· Termini haben indisziplinären Charakter. Ein Wort kann als Terminus in verschiedenen Wissenschaften auftreten: Figur in Kunst, Geometrie, Musik, Sprachwissenschaft. Termini können aus einem Bereich in einen anderen entlehnt werden: magnetisches Feld – semantisches Feld.

· Zur Bildung der Termini gibt es 3 Möglichkeiten: Neuschöpfungen (Bioenergetik, Syntagma), Terminologisierung gemeinsprachlicher Wörter (Stamm, Wurzel, Geschlecht), Entlehnungen (die Software, das Display, das Modem)

(Laser - Kurzwort aus: light amplification by stimulated emission of radiation)

 

2. Halbtermini / Professionalismen sind nicht standartisierte und nicht definierte Fachwörter. Sie dienen der praktisch-fachlicher Kommunikation. Das sind sehr differenzierte Benennungen von Werkzeug, Werkstoffen, Erzeugnissen, Arbeitsvorgängen usw. Man spricht über Bergmannsprache, Seemannsprache usw.

Die Berufswörter sind keine Dubletten für entsprechende gemeinsprachliche Wörter, sie differenzieren die Nomination in einem konkreten Fachgebiet.

Fuchsschwanz – Handsäge

Jägersprache: Der Hase hat Lichter (Augen), Löffel (Ohren), Läufe (Beine), eine Blume (Schwanz). (wird auch als Gruppenwortschatz betrachtet)

Schneiderei: der Ärmelaufschlag обшлаг (рукава); die Bügelfalte сгиб, складка (на брюках); der Revers отворот, лацкан (пиджака); der Saum кайма; обшивка; кромка (ткани) ; подпушка (платья)

Automobil: der Scheinwerfer фара (автомобиля); Kühler радиатор; die Windschutzscheibe ветровое стекло; das Kupplungspedal педаль сцепления; der Blinker указатель поворота (мигающего типа); die Motorhaube капот двигателя [мотора]

 

3. Fachjargonismen- expressive (wertende / abwertende) Dubletten der Fachwörter. Sie werden im alltäglichen vertrauten Umgang mit Kollegen gebraucht: Klavier spielen – Fingerabdrücke abnehmen; Bierdeckel – CD-Rom ; Box, Kiste, Kasten, Compi - Rechner; Schweinegriff, Affengriff – Tastenkombination Strg-Alt-Entf (Ctrl-Alt-Del); mausen; Tintenspucker –Drucker

 

c) Gruppenwortschatz

Gruppenspezifischer Wortschatz – Sonderlexik sozialer Gruppen einer Sprachgemeinschaft mit gemeinsamen Lebensbedingungen und Interessen.

Im Unterschied zur Fachlexik sind das expressive oder euphemistische Synonyme zu den gemeinsprachlichen Wörtern. Soziale Lexik ist im Gebrauch beschränkt und nur im mündlichen Verkehr verwendet.

Man spricht über Studentensprache, Gaunersprache (Rotwelsch, Argot), Soldatensprache, Jugendsprache, heute auch über Männer- und Frauensprache. Für die Sphäre des Saloppen wird oft der Terminus Slang gebraucht.

Soldatensprache: Flohkiste (Bett), Christbaumschmuck (Orden), Chinesenschweiß (dünner Tee), Negerschweiß (dünner Kaffee).

Jugendsprache (entwickelt sich aktiv nach 1945): affengeil, saugeil, echt klasse, super, tierisch, voll stark, kolossal (Entzückungswörter); Pauker, Leerkörper, Sklaventreiber usw. (Lehrer)

 

Zwischen der Sonderlexik und dem Allgemeinwortschatz sind ständige beiderseitige Wechselbeziehungen zu beobachten.