Territoriale Differenzierung des deutschen Wortschatzes

In der modernen Germanistik unterscheidet man 3 Existenzformen der deutschen Gegenwartssprache:

a) Nationalsprache

b) Mundart

c) Umgangssprache

 

a) Die Nationalsprache (Standard-, Literatur-, Schriftsprache) vereinigt die schriftliche und die mündliche Form der Sprache.

Das ist die Norm der deutschen Sprache (Hochsprache, Hochdeutsch), sie ist polyfunktional und wird auf der Bühne, in Massenmedien, an Universitäten, im offiziellen Verkehr, in der schönen und wissenschaftlichen Literatur gebraucht.

Sie ist in dem ganzen Sprachgebiet gültig und allen Deutschsprechenden verständlich. Die Nationalsprache ist die allgemein gebrauchte Form des Deutschen (Einheitssprache, Gemeinsprache), sie überwindet soziale und landschaftliche Begrenztheit.

Die Grundlage der deutschen Schriftsprache bilden die ober- und mitteldeutsche Dialekte. Sie verbreiteten sich allmählich im 16-18 Jh. und verdrängten die lokalen Mundarten. Eine große Rolle spielte dabei die Luthersche Bibelübersetzung in der Zeit der Reformation.

Sozialhistorische Ursachen haben dazu geführt, dass Deutsch nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen Staaten Verkehrssprache ist: in Österreich, in der Schweiz, in Luxemburg, Liechtenstein, in deutschsprachigen Teilen Belgiens, in Oberitalien, in Frankreich (im Elsass und Lothringen), auch in den USA (Pennsylvaniadeutsch)und in der GUS (Russlanddeutsche). Es kann sich um die vierte Existenzform der Sprache handeln – um die nationalen Varianten. Dabei ist die nationale Variante der Sprache ihr literarisch normiertes Subsystem, ein Universalmittel des schriftlichen und mündlichen Verkehrs selbstständiger Nationen und Staaten.

 

b) Die deutschen Mundarten.

Das ist die älteste Existenzform der deutschen Sprache. Mundarten gewährleisten nur eine beschränkte Kommunikation, sie sind regional begrenzt. Man unterscheidet Niederdeutsch, Mitteldeutsch, Oberdeutsch. Die Mundarten werden nur gesprochen, nicht geschrieben. Sie dienen als Alltagssprache, als Haussprache.

Die Mundart hat eine bestimmte sprachliche Struktur und beruht auf eigenen Gesetzen. Jede Mundart besitzt bestimmte phonetische, lexikalische und grammatische Besonderheiten.

Für den Wortbestand der Mundart sind Emotionalität, Konkretisierung der gegenständlichen Lexik und Vermeidung der abstrakten Lexik charakteristisch. Im mundartlichen Wortschatz sind verschiedene Gebiete des landschaftlichen Berufes (Feldwirtschaft, Viehzucht, Gemüse- und Gartenanbau) und verschiedener Gewebe (Fischfang, Weberei, Zimmerei usw.) reich vertreten. So umfasste der Wortschatz des rheinischen Winzers zu Beginn des 20.Jh. über 600 Wörter zur Ausübung seines Berufs. In Viehzucht gibt es Dutzende Bezeichnungen für Tiere je nach Geschlecht, Alter und wirtschaftlicher Verwendung: Ferkel – Eberle / Lösle; Schössling (das kleinste), Läufer, Springer (ältere).

Im Zeitalter der allgemeinen Bildung sind die Dialekte im Rückgang begriffen.Dabei übernahmen sie eine neue kommunikative Funktion und dienen heute oft zum Ausdruck des Intimen, Vertrauten, Persönlichen und Familiären.

C) Umgangssprache

Es ist eine Zwischenstufe zwischen der Hochsprache und Mundart, eine Kompromissform. Sie überwindet lokale Begrenzungen der Mundart, aber wird fast ausschließlich im mündlichen Verkehr gebraucht. Die Umgangssprache ist auf den Alltag ausgerichtet, sie ist praktisch, konkret, expressiv und zeichnet sich durch Bildlichkeit, Humor und Wortspiel aus.

 

Zwischen den Existenzformen der deutschen Sprache bestehen ständige Wechselbeziehungen.