Antrag auf Einleitung eines Verfahrens

Nun aber fix!

Apropos Prüfung. Nehmen wir an, Sie wollen den Führerschein machen, damit Sie nicht mehr mit der Bahn zur Vorlesung fahren müssen. Kein Problem in Deutschland: Stellen Sie einfach einen "Antrag auf Einleitung eines Verfahrens zur Erteilung der Erlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeugs auf öffentlichen Straßen".

 

Womöglich wird Ihnen die Behörde aber dann "in Mitteilung bringen", dass ihr eine "Entscheidungsfindung zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht möglich" ist, da ihr die "entscheidungsrelevanten Unterlagen" noch nicht vorliegen, um das gewünschte "Antragsverfahren zur Durchführung zu bringen". Um eine "zeitnahe Zusendung auf dem Postwege wird gebeten".

Des Rätsels Lösung

Sprich: Das Amt will ein Passfoto und ein Antragsformular, aber ganz, ganz schnell. Das hatten Sie so nicht verstanden? Keine Ursache. Nehmen Sie’s einfach als eine Art Quiz. Und passen Sie auf, dass Sie mit Ihrem Auto dann nicht vors nächste raumübergreifende Großgrün, sprich den nächsten Baum fahren. Sie könnten Ihre nächste Modulteilprüfung verpassen.

Der Leistungsbezug

Hab' ich einen Anspruch oder nicht?

Wichtig fürs Studium ist natürlich auch eines: Geld. Das Amt für Ausbildungsförderung zahlt auch ausländischen Studierenden einen Zuschuss. Aber nicht allen. Nur: Wie erfährt der arme Student, ob er Unterstützung erhält oder nicht?

 

Fragen wir doch mal einschlägige Ratgeber-Seiten im Internet: "§ 8 BAföG benennt im Einzelnen die aufenthaltsrechtlichen Tatbestände, die einen Anspruch auf Leistungsbezug vermitteln. Das Gesetz differenziert dabei nach der Natur des zum Aufenthalt berechtigenden Rechtstitels und stellt umso geringere Anforderungen, je höher das Maß an gesellschaftlicher Integration des ausländischen Antragstellers anzusetzen ist."

Die Kurzfassung

Das bedeutet kurz gesagt: Es kommt zuerst auf die Aufenthaltserlaubnis an. Die Chancen auf einen Zuschuss sind dann umso größer, je besser man in die Gesellschaft integriert ist. Mehr steht in Paragraf 8 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes, kurz BAföG. Und wer ganz mutig ist, liest sich dazu auch noch die Verwaltungsvorschriften durch.

"Ich hab hier bloß ein Amt und keine Meinung", bekommt schon Schillers Wallenstein von Oberst Wrangel zu hören. Denn auch dazu ist das Amtsdeutsch prima geeignet: die eigene Beteiligung gut zu verstecken.

 

Wenn Ihnen das Amt für Ausbildungsförderung also kein Geld zahlen will und deswegen schreibt: "Es wird darauf hingewiesen, dass Ihr Antrag leider nicht zuschlägig beschieden werden konnte", heißt das "Ich habe Ihren Antrag abgelehnt" – oder schlicht: "Nein". Ein so richtig ausschweifendes, in umständlichem Deutsch verfasstes Schreiben macht aber viel mehr Eindruck und weckt Ehrfurcht beim gewöhnlichen Studenten.

 

Die Vorschriften

Warum umständlich, wenn 's einfach geht!

Ehrfurcht weckt auch folgende simple Vorschrift, in einem einzigen Satz über mehrere Zeilen verteilt, bei demjenigen, der zum Beispiel über den Campus schlendert:


"Es ist verboten, auf Verkehrsflächen und in Anlagen – insbesondere an Kraftfahrzeugen, Bäumen, Haltestellen und Wartehäuschen, Strom- und Ampelschaltkästen, Lichtmasten, Signalanlagen, Verkehrszeichen und sonstigen Verkehrseinrichtungen, an Abfallbehältern und Sammelcontainern und an sonstigen für diese Zwecke nicht bestimmten Gegenständen und Einrichtungen – sowie an den im Angrenzungsbereich zu den Verkehrsflächen und Anlagen gelegenen Einfriedungen, Hauswänden und sonstigen Einrichtungen und Gegenständen Flugblätter, Druckschriften, Handzettel, Geschäftsempfehlungen, Veranstaltungshinweise und sonstiges Werbematerial anzubringen, zu verteilen oder zugelassene Werbeflächen durch Überkleben, Übermalen oder in sonstiger Art und Weise zu überdecken."

 

Der Inhalt in einer Zeile

Sprich: Du sollst nirgendwo in öffentlichen Parks Werbezettel verteilen oder Plakate kleben. Die Würze geben dann noch ein paar ordentliche Verweise auf "Paragraf 27 Absatz 1, Absatz 4 Satz 1 des Gesetzes über Aufbau und Befugnisse der Ordnungsbehörden – Ordnungsbehördengesetz (OBG) – in der Fassung der Bekanntmachung vom 13.5.1980".

 

Sprachliche Spagate

Die "Rückantwort"

Gern greift der Beamte auch zu einigen Wort verlängernden Maßnahmen. Aus entwickeln wird erstmal fortentwickeln, aus einer Antwort wird eine Rückantwort. Richtiges Deutsch sind diese Wortschöpfungen nicht, denn die Entwicklung schreitet immer fort und eine Antwort kommt immer zurück. Im alten Preußen, als das Behördendeutsch in voller Blüte stand, hätte sich aber niemand getraut, das laut zu sagen. Ein Beamter hatte halt immer Recht.

 

Heute wird über Amtsdeutsch viel gespottet. Fairerweise müssen wir allerdings zugestehen, dass viele Behörden – und auch Universitäten – sich um verständlicheres Deutsch bemühen. Dieses soll trotz allem auch noch präzise und rechtlich wasserdicht bleiben. Solch ein Spagat ist nicht einfach zu bewältigen.

 

Paragraf Dracula

Entspannung findet ein vom Behördendeutsch geplagter Student dann aber ganz sicher in seiner Lieblingskneipe. Dort könnte er Champagner mit irischem Guinness ordern – in Behördenkreisen bekannt als Paragraf Dracula. Den gibt es auch ganz ohne Antrag.

 

 

Karte 42. Leseverstehen: Aufgabe (1) Globales Lesen (Wörter; Zeichen) 10 Min.

Gute Gründe, in Deutschland zu promovieren

Unter ausländischen Promovierenden werden deutsche Hochschulen immer beliebter. Denn im Wettbewerb um die klügsten Köpfe wurden in Deutschland Graduiertenschulen gegründet. Die haben sogar einen Vorzug gegenüber den USA.

 

Welche Rolle spielen "transgouvernementale Netzwerke" bei der Abwehr von Bioterrorismus? Diese Fragestellung will Octavio Segovia in seiner Promotionsarbeit beantworten. Es geht darum, wie Regierungen sich untereinander verständigen, um den Terrorismus, der mit Biowaffen geführt wird, zu bekämpfen. Octavio Segovia kommt aus Mexiko und promoviert seit 2010 an der "Berlin Graduate School for Transnational Studies". Für ein Graduiertenstudium in Deutschland hat er sich bewusst entschieden: "Die Menschen hier sind kritischer als in anderen Ländern. Das war für mich wichtig, denn ich wollte nicht vorgegebene Modelle einfach nur reproduzieren", sagt Segovia. Deutsch hat er in seiner Heimat gelernt – auch das hat seine Entscheidung, zum Promotionsstudium nach Deutschland zu kommen, beeinflusst.

Graduiertenschulen machen Deutschland wettbewerbsfähig

Thomas Risse, Gründer der Berliner Graduate School

So wie Octavio Segovia entscheiden sich immer mehr Promovierende aus dem Ausland für deutsche Universitäten. Ihre Zahl hat sich in den vergangenen zehn Jahren verdoppelt. 2010 haben fast 4000 ausländische Studierende in Deutschland promoviert. "In der Vergangenheit war Deutschland für Promovierende nicht so attraktiv, aber das hat sich durch die Einrichtung der Graduiertenschulen geändert", sagt Thomas Risse, Gründer der Berlin Graduate School for Transnational Studies.

Die Graduiertenschulen sind strukturierte Promotionsprogramme. Etwa 700 gibt es schon in Deutschland. Die Doktoranden besuchen im ersten Jahr Kurse und haben dann für ihr Forschungsprojekt ein ganzes Betreuungsteam mit bis zu drei Professoren. Außerdem wird der Austausch unter den Promovierenden durch gemeinsame Veranstaltungen gefördert. Hinzu kommt, dass die meisten Graduiertenschulen Stipendien vergeben. "Der Vorteil gegenüber den USA ist, dass man hier kürzer studiert", sagt Risse. Ein Graduiertenstudium dauere dort zwischen sieben und neun Jahren. "In den meisten Graduiertenschulen in Deutschland versucht man, die Promovierende innerhalb von drei bis vier Jahren zum Abschluss zu bringen", sagt Risse.