Duales System made in Germany

Sirikit Krone

Die duale Ausbildung gibt es nur in Deutschland und in etwas abgewandelter Form noch in Österreich und der Schweiz. Zwar versuchen andere Länder immer wieder, das Modell zu exportieren, doch nicht immer funktioniert das reibungslos. In Frankreich zum Beispiel landen im Moment nur die schwächsten Schüler in einer solchen Berufsausbildung. "Da gibt es durchaus Bestrebungen, die handwerkliche Ausbildung aufzuwerten und sie für Jugendlichen mit höheren Schulabschlüssen attraktiv zu machen", meint Sirikit Krone. In vielen Ländern werde aber eine Berufsausbildung gegenüber einem Studium immer noch als minderwertig angesehen.

In Deutschland dagegen gilt die duale Ausbildung weiterhin als Erfolgsmodell. Und sie wird auch immer weiterentwickelt. Abiturienten haben zum Beispiel die Möglichkeit, eine Berufsausbildung mit einem Studium zu kombinieren. Für viele Betriebe sind diese Auszubildenden sehr attraktiv, denn sie kennen die Produktionsabläufe in den Betrieben – werden aber oft für Management-Tätigkeiten ausgebildet. "Sie können auf der kommunikativen Ebene mit den Meistern und mit den Menschen in der Produktion reden", betont Sirikit Krone die Vorteile. "Außerdem haben sie auch für die Führungsetage die nötigen sozialen Qualifikationen." Von diesem "dualen Studium" profitieren Auszubildende und Unternehmensleitung also gleichermaßen.

 

Autorin: Britta Mersch Redaktion: Gaby Reucher

 

Karte 46. Leseverstehen: Aufgabe (1) Globales Lesen (742 Wörter; 5398 Zeichen) 10 Min.

"Bildungspanik" in Deutschland

Nur das Beste für mein Kind!

Angst vor zu vielen ausländischen Kindern in der Klasse, vor Lehrern, die den eigenen Kindern die Zukunftschancen verbauen: "Bildungspanik" nennt das der Soziologe Heinz Bude - und das ist auch der Titel seines Buches.

 

Um ihren Kindern die vermeintlich beste Bildung mitzugeben, nehmen Eltern lange Fahrzeiten zur Schule in Kauf und investieren viel Geld in zusätzliche Lernangebote. Die beste Schule oder Hochschule mit exzellentem Ranking ist gerade gut genug. Der Soziologe Heinz Bude hat deutsche Eltern beobachtet. Dabei ist ihm in den letzten Jahren aufgefallen, dass sie sich zunehmend um eine, in ihren Augen, erstklassige Bildung für ihre Kinder bemühen. Die staatlichen Schulen, die in Deutschland den größten Anteil an Schulen ausmachen, scheinen nicht mehr gut genug zu sein. Steigende Anmeldezahlen bei Privatschulen, jede Menge zusätzlicher Unterricht außerhalb des Stundenplans, dazu Bildungsaktivitäten in jeder freien Minute – eine breite Bildungspanik habe die Gesellschaft erfasst, meint Heinz Bude. Viele Eltern hätten das Vertrauen in das deutsche Schulsystem verloren.

"Wir haben es heute mit einer Generation Eltern zu tun, die selber in bessere Bildungspositionen gerutscht sind, aber gar nicht so genau wissen, wie sie dorthin gelangt sind", sagt der Soziologe vom Hamburger Institut für Sozialforschung, der gleichzeitig an der Universität Kassel lehrt. Früher habe man sich nicht darum kümmern müssen, welche Grund- oder weiterführende Schule am besten sei – es war in der Regel die nächstliegende. Heute aber, so Bude, sei das ganz anders: "An jeder Stelle der Bildungskarriere müssen Eltern weitreichende Entscheidungen treffen."

Bildung als "umkämpftes Gut"

Heinz Bude

Die Eltern fühlen sich also verantwortlich für den Bildungsweg ihrer Kinder. Bietet der Kindergarten auch ausreichend Fremdsprachenkurse an? Ist die Grundschule bekannt für eine besondere sportliche oder musische Förderung? Schneidet die Uni bei Vergleichsrankings gut ab? Alle Bildungsentscheidungen werden wieder und wieder hinterfragt. "Bildung ist nicht mehr ein selbstverständlich bereitgestelltes öffentliches Gut, sondern Bildung ist ein umkämpftes privates Gut geworden", sagt Heinz Bude. "Für die meisten Leute in unserer Gesellschaft ist klar, dass gute Bildung Startvorteile beim Kampf um Lebenspositionen sichert."

Die Panik, argumentiert Bude, resultiere daraus, dass viele Eltern von der Situation und den zu treffenden Entscheidungen völlig überfordert seien. Außerdem werde diese Panik durch internationale Bildungsvergleiche wie etwa den PISA-Studien noch bestärkt, bei denen Deutschland nur mittelmäßig abgeschnitten hatte. Auch die jüngste Untersuchung der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), "Education at a glance", sorgt für weitere Unruhe. Schließlich hat die OECD festgestellt, dass Deutschland bei den Bildungsausgaben nur auf Platz 30 von 36 teilnehmenden Staaten landet. Dabei gebe es eigentlich gar keinen Grund zur Panik, sagt der Soziologieprofessor: "Wir brauchen uns überhaupt keine Sorgen zu machen." Für 90 Prozent der Schüler sei das gegenwärtige Schulsystem völlig ausreichend, meint er.

"Die Demografie rettet alle"

Seine Zuversicht bezieht Heinz Bude aus der demografischen Entwicklung in Deutschland: Es gibt zu wenig junge Menschen, die auf den Arbeitsmarkt nachrücken. "Die Demografie rettet alle", verspricht Bude. "Auf allen Ebenen unseres Beschäftigungssystems – von der Chefarztposition bis hin zu den personengebundenen Dienstleistungen – werden uns die Arbeitskräfte ausgehen." Mit anderen Worten: Niemand müsse sich Sorgen machen um die berufliche Zukunft seiner Kinder. Jeder und jede werde in Zukunft händeringend von der Industrie umworben, auch bei schlechten Abschlussnoten.

Und nicht nur das: Deutschland, so meint der Kasseler Professor, benötige zusätzlich auch noch jede Menge ausländischer Arbeitskräfte. Weil andere Staaten wie etwa Spanien und Griechenland, aber auch etliche osteuropäische Länder, vor einer ganz anderen demografischen Situation stünden, gebe es dort mittelfristig mehr Arbeitskräfte als Arbeitsplätze. Und für diese Menschen, so Budes Überlegung, könnte es durchaus interessant sein, nach Deutschland einzuwandern.

Abwarten und Tee trinken also als Lösungsvorschlag für alle, die in Deutschland von Bildungspanik befallen sind – das klingt verführerisch einfach und könnte für manche Bildungspolitiker ein willkommenes Argument sein, notwendige Reformen und Änderungen einfach bleiben zu lassen. Und noch unter einem anderen Aspekt ist Heinz Budes Schlussfolgerung zumindest diskussionswürdig: Wer voller Panik ist – und etliche Eltern sind das, wifeststellt – wer also von Panik erfasst ist, der wird sich kaum mit dem Rat zufrieden geben, einfach nur ein paar Jahre abzuwarten, bis sich die Probleme von selber gelöst haben. Soziologisch mag das zwar richtig sein – psychologisch aber dürfte Heinz Bude den Eltern damit keinen Trost geben.


Autor: Armin Himmelrath Redaktion: Gaby Reucher

 

Karte 47. Leseverstehen: Aufgabe (1) Globales Lesen (742 Wörter; 5398 Zeichen) 10 Min.



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