Am liebsten campus- und kneipennah

Campusnah: das Wohnheim Otto-Fischer-Straße in Köln

86 Wohnheime gibt es in Köln, recht wenig für eine Stadt mit 64.000 Studierenden. Nur 7,2 Prozent der Studierenden in der Domstadt kommen dort unter. Im bundesweiten Vergleich ist Köln damit Schlusslicht. "Auch wir hätten natürlich ganz gerne noch mehr Wohnheime", betont Cornelia Gerecke, "aber leider Gottes fehlt es uns an Grund und Boden in der Innenstadt, und ohne Grund und Boden können wir keine neuen Wohnheime bauen." Ein Standort ein paar Kilometer außerhalb, so ihre Erfahrung, ist nicht allzu attraktiv. Die Studierenden möchten am liebsten campus- und kneipennah untergebracht sein. Wer also einen der begehrten Wohnheimplätze ergattern will, sollte sich möglich früh online bewerben, ist der Rat der Expertin.

Eine akute Wohnungsnot wie Ende der 1980er, Anfang der 90er Jahre, als Studenten notgedrungen sogar in Wohncontainern Unterschlupf suchen mussten, gibt es zwar heute nicht mehr. Von einer entspannten Wohnsituation kann aber vor allem in beliebten Universitätsstädten wie München, Hamburg oder Köln keine Rede sein. Denn der Studentenberg wächst. Ab dem Wintersemester drängen besonders viele Neue an die Hochschulen, weil in Niedersachsen und Bayern wegen der verkürzten Gymnasialzeit gleich zwei Jahrgänge auf einmal Abitur machen und der Wehrdienst in Deutschland seit diesem Sommer wegfällt. Das bekommt auch das Studentenwerk in Köln zu spüren.

Andrang am Infopoint

Cornelia Gerecke versucht, für jeden das Passende zu finden

Zugeteilt werden die Plätze am Infopoint des Kölner Studentenwerks. Kurz vor Semesterbeginn herrscht hier immer lebhafter Andrang. "In eine WG zu ziehen, sei es privat oder im Wohnheim, ist auf jeden Fall das Beste, was man als Student machen kann", meint der iranische Student der Ingenieurswissenschaften, Assad, der in der Menge wartet. "Das ist deutlich billiger." Der 23-Jährige hat Glück, er kann nächste Woche in eine Wohngemeinschaft im Wohnheim Otto-Fischer-Straße einziehen. Auch Johannes sucht ab Oktober eine Bleibe. Frustriert verlässt er das Beratungsbüro des Studentenwerks. "Das klappt nicht mit einem Wohnheimzimmer", sagt er. "Man muss wohl erst mal auf eine längere Warteliste."

Für Neuankömmlinge aus dem Ausland gibt es bei den Studentenwerken einen speziellen Service. Spezielle Ansprechpartner in der Wohnheimabteilung kümmern sich um ihre Sorgen und Nöte. Außerdem gibt es spezielle Programme, um die Integration zu erleichtern, zum Beispiel die Betreuung durch Wohnheimtutoren "37 Prozent unserer Wohnheimbewohner sind ausländische Studierende", sagt Pressesprecherin Cornelia Gerecke. "Aber wir versuchen auf jeden Fall, in einem Wohnheim auch immer eine gute Mischung zu haben."

"Räum mal dein Zimmer auf!"

Derzeit leben nach Angaben des Deutschen Studentenwerks nur zwölf Prozent aller Studierenden in Wohnheimen. Wer wie Johannes keinen der begehrten Plätze ergattert, muss sich anderswo ein Dach über dem Kopf suchen. 37 Prozent der Studierenden entscheiden sich für eine Wohnung – alleine oder mit dem Partner. Die anderen Studenten leben je zu einem Viertel entweder bei den Eltern oder in einer privaten Wohngemeinschaft. Vor ein paar Jahren startete in mehreren Großstädten Deutschlands auch die Initiative "Wohnen gegen Hilfe". Das Konzept: Studierende bekommen ein Dach über dem Kopf, müssen dafür aber im Haushalt zur Hand gehen oder die Kinderbetreuung übernehmen.

Harold Steguweit wird wieder von seiner Mutter umsorgt

Der Medizinstudent Harold Steguweit ist nach einem Auslandssemester wieder bei seiner Mutter eingezogen. "Das war gerade so aus der Not geboren", sagt er. "Für einen Studenten ist das natürlich eine Kostenfrage." Die Wohnung liegt in der Nähe der Uni, Miete muss Harold nicht zahlen. Trotzdem hätte der 27-Jährige lieber seine eigenen vier Wände. "Naja, man bleibt im Elternhaus definitiv immer Kind", sagt er. Die Mutter umsorge einen. Aber dafür müsse man sich halt auch immer anpassen. "Das fängt an bei: Warum bist du nicht vor 12 Uhr zuhause? Und hört auf bei: Räum’ mal dein Zimmer auf."

Putzplan, Party, Pauken

Der russische Geographiestudent Vitali hat es geschafft, auf dem privaten Wohnungsmarkt ein kleines Appartement zu ergattern. Allerdings hat es etwas gedauert. "Ich hab vier Monate lang überall gesucht", erzählt er. So viel Zeit solle man sich schon lassen, rät Vitali. Der Student lebt mit seiner Freundin zusammen, das spare Miete. "Früher habe ich auch mal in einer WG gewohnt, aber da gab es viele Partys, und ich konnte nicht richtig lernen."

Tijana Milunovic hat viele neue Freunde gefunden

Lange Zeit war die WG die beliebteste Wohnform unter Studenten. Doch im Moment gehe der Trend wieder zum Einzelzimmer, hat Cornelia Gerecke vom Kölner Studentenwerk festgestellt. In Zeiten von Bachelor- und Masterstudiengängen müssten die Studierenden ihr Lernpensum schneller durchziehen als frühe Generationen. "Wer allein wohnt, muss sich auch nicht mit Putzplan oder Küchendienst rumärgern", lächelt sie. Wenn WG-Bewohner sich nicht an Absprachen hielten und das Bad dann irgendwann völlig verklebt sei, komme es schon mal zu Reibereien. Meist klärten die Studierenden das untereinander, so Gerecke. Doch in ganz schlimmen Fällen stellt das Studentenwerk einen Mediator, der den Streit zu schlichten versucht.

Im Wohnheim der Serbin Tijana Milunovic ist man sich wegen unterschiedlicher Auffassungen von Sauberkeit auch schon in die Haare geraten. "Aber wir schaffen das", sagt die angehende Politikwissenschaftlerin. Nachdem sie ihre neue Bleibe anfangs eher abschreckend fand, fühlt sie sich mittlerweile rundum wohl. "Ich bin Ausländerin und brauche hier in einer ganz neuen Stadt natürlich neue Freunde." Im Wohnheim lebten alle friedlich und tolerant in einer Multi-Kulti-Atmosphäre zusammen, erzählt Tijana Milunovic. "Wenn die ganze Welt so wäre, das wäre ein perfekter Ort."

Autorin: Suzanne Cords Redaktion: Svenja Üing

Karte 51. Leseverstehen: Aufgabe (1) Globales Lesen (742 Wörter; 5398 Zeichen) 10 Min.