Die Schweizerische nationale Variante der deutschen Gegenwartssprache

In der Schweiz gilt Deutsch als gleichberechtigte Landessprache neben Französisch, Italienisch und Rätoromanisch, der Anteil der deutschsprachigen Schweizer (etwa 4 Mio.) beträgt rund 70 % der Bevölkerung.

Für das in der Schweiz gebrauchte Deutsch sind drei Charakterzüge kennzeichnend, die es vom Binnendeutschen, von der Hochsprache unterscheiden:

1. die mundaartliche Färbung der Umgangssprache (mit besonderer Rolle des Alemannischen);

2. die Altertümlichkeit des mundartlichen Wort- und Formbestandes;

3. ein seit alters starker romanischer Spracheinfluss

Im deutschen Sprachgebiet der Schweiz dient als sozial nicht begrenzte mündliche, teilweise auch schriftliche Gemeinsprache das Schwyzerdütsch.Neben der mundartlich geprägten Alltagssprache benutzen die Schweizer ein der hochdeutschen Schriftsprache angenähertes so genanntes Schweizer Hochdeutsch(A.Bach).. Es ist die Sprache der volkstümlichen Literatur (G. Keller, C. F. Meyer, F. Dürrenmatt, M. Frisch u. a.), vieler Behörden, des Militärs, in begrenztem Maße der Presse, der Schule und des Rundfunks, geprägt durch einen bodenständigen Wortschatz und eigene syntaktische Fügungen.

Als Vereinfachung kann man feststellen: die offizielle schriftliche Kommunikation vollzieht sich in der deutschen Standardsprache, die mündliche — in der Mundart.

Die Schweizerdeutsche Standardvarietät,auch Schweizerhochdeutsch genannt, zeigt - aufgrund der Geschichte, der geographischen Lage, der Kontakte mit den Nachbarländern sowie der politischen Entwicklung des Landes - viele eigene Charakteristika. Für die Schweiz als Sprachraum gilt die mediale Diglossie,was bedeutet, dass im Alltag der Deutschschweizer in der gesprochenen/mündlichen Form allgemein die Dialekte verwendet, wohingegen im Schriftsprachlichen bzw. in einigen formalen Situationen die Schweizer Standardvarietät gebraucht wird. Die Standardsprache hat für die Schweizer die Funktion einer Schul- und Schriftsprache und sie ist im Vergleich zu den deutlich wahrnehmbaren Unterschieden zwischen den Dialekten verhältnismäßig einheitlich.

Der Dialekt ist hier die alltägliche Umgangssprache. Schweizer verstehen einander sehr gut, auch wenn jeder seinen eigenen Dialekt spricht, weil die regionalen Varianten der einzelnen Dialekte allen bekannt sind. So gibt es für Bonbon in der Schweiz je nach Dialektregion mehrere Bezeichnungen: Zältli, Tröpsli, Täfeli, Zückerli.

Oft sagt man, dass Schweizerdeutsch bis zu einem gewissen Grad ein Deutsch mit romanischem Akzent ist, z. B.: statt Bürgersteig und Fußweg sagt man das Trottoir, statt Bus für Ausflugsfahrten — der Autocar; statt Lastkraftwagen — der Camion [ka'mio:]; Fahrrad — das Velo; Kurzwarenhandlung — die Bonneterie; Kamin — das Cheminee [fami'ne:]; Konditorei — die Konfiserie, die Patisserie.

Einige Wörter übernehmen zusätzliche Bedeutung, die in der deutschen Standardsprache nicht gegeben ist: Sack bedeutet noch „Tasche", „Beutel"; Tochter bedeutet auch „Angestellte", „Mädchen": vgl. Bürotochter — dt. Sekretärin; Ladentochter — Verkäuferin; Saal-, Serviertoch­ter — Kellnerin; Haustochter — mit der Familie lebende Hausgehilfin. Ein Beleg aus der schönen Literatur: Erheiratete eine Tochter aus bekanntem Haus.

Nur als schweizerisch und nicht als deutsch gelten die folgenden Wörter: die Kefe — frühe Erbse; der Anken — Butter; der Finken — Hausschuh; aper — schneefrei; koldern — sich streiten; knorzen — sich abmühen.

Weitere Beispiele für zwischensprachliche Differenzen:

Ätti — Vater; Base — Tante; Götti — Pate; Fürsprech — Rechtsanwalt; Vogt — Vormund; Weibel— Gerichtsbote (vgl. Feldwebel); Stadel — Scheune; Wingert — Weinberg;

Diminutive auf -i:

Kleidli — Kleidchen; Schränkli — Schränkchen;

Adjektive auf -ig:

lärmig — lärmend; schaffig — arbeitsam; urchig — bodenständig, urtümlich; Verben:

amten — amtieren; garagieren — den Wagen in die Garage fahren, in der Garage unterbringen; vergenauern — genauer machen.

Der schweizerische Phraseologismus, derauf den Namen des berühmten Pädagogen J. H. Pestalozzi zurückgeht: Ich bin kein Pestalozzi, bedeutet: „Ich muss erst auf meinen eigenen Vorteil bedacht sein".

Die Deutsch-Schweizer meinen zu ihrer Diglossie: Dialekt und Schriftsprache sind einander nicht Feind.

Es gibt kein schweizerisches Deutsch im Sinne eines überregionalen einheitlichen Standards. Die schriftliche und die offizielle mündliche Kommunikation geschehen in der deutschen Standartsprache. Es gibt keine überregionale Umgangssprache. Alle deutschsprachigen Schweizer kennen den Dialekt. Es gibt keine soziale Grenze zwischen Mundart und Hochsprache, sogar in den großen Städten, an den Universitäten, Konferenzen wird in der Mundart gesprochen. Die Mundart und der Standard sind im Wesentlichen identisch, aber die Standartsprache hat Besonderheiten zweier Art:

a) Die Mundarten und die benachbarten romanischen Sprachen wirken auf die Lexik ein: man sagt Schweizer Deutsch ist bis zum gewissen Grade ein Deutsch mit romanischem Akzent. Manchen deutschen Wörter sind in der Schweiz unbekannt: # Fußweg: Trottoir,

b) Wörter übernehmen zusätzliche Bedeutungen: # Tochter: Angestellte, Ladentochter, Haustochter.

c) es gibt rein schweizerische Wörter: vergenauen (уточнять), Anken – Butter usw..

d) Besonderheiten der Wortbildung: Oft werden die Substantive affixlos gebildet: Finstere (-is) Entland(ung).

e) Entlehnungen aus den romanischen Sprachen, die im deutschen fehlen: Jupe – Rock, Gilet – Weste.