Wie sie zum Hofgelage fuhren

 

 

All ihr Bemühen lassen wir nun sein

Und sagen wie Frau Kriemhild und ihre Mägdelein

Hin zum Rheine fuhren von Nibelungenland.

Nie trugen Rosse wieder so manches reiche Gewand. (800)

 

Viel Saumschreine wurden versendet auf den Wegen;

Da ritt mit seinen Freunden Siegfried der Degen

Und die Königstochter in hoher Freuden Wahn:

Da war es ihnen allen zu großem Leide getan. (801)

 

Sie ließen in der Heimat Siegfrieds Kindelein,

Den Sohn der Kriemhilde; das musste wohl so sein.

Aus ihrer Hofreise erwuchs ihm viel Beschwer:

Seinen Vater, seine Mutter er sah das Kindlein nimmermehr. (802)

 

Auch ritt mit ihnen dannen Siegmund der König hehr;

Hätt er ahnen können, wie es ihm nachher

Beim Hofgelag erginge, er hätt es nicht gesehn:

Ihm konnt an lieben Freunden größer Leid nicht geschehn. (803)

 

Vorausgesandte Boten verhießen sie bei Zeit:

Entgegen ritten ihnen in herrlichem Geleit

Von Utens Freunden viele und König Gunthers Bann:

Der Wirt für seine Gäste sich zu befleißen begann. (804)

 

Er ging zu Brunhilden, wo er sie sitzen fand:

“Wie empfing euch meine Schwester, da ihr kamet in dies Land?

So will ich, dass ihr Siegfrieds Gemahl empfangen sollt!”

“Das tu ich,” sprach sie, “gerne: ich bin ihr billiglich hold.” (805)

 

Da sprach der reiche König: Sie kommen morgen früh:

Wollt ihr sie empfangen, so greifet balde zu,

Dass sie uns in der Veste nicht überraschen hie:

Mir kamen liebre Gäste wohl noch niemals als sie.” (806)

 

Ihre Mägdelein und Frauen ließ sie da zur Hand

Gute Kleider suchen, die besten, die man fand,

Die sollt ihr Ingesinde vor den Gästen tragen:

Das taten sie doch gerne, das mag man für Wahrheit sagen. (807)

 

Da eilten auch zu dienen die in Gunthers Lehn;

Alle seine Recken hieß er mit sich gehn.

Da ritt die Königsfraue herrlich hindann;

Da ward den lieben Gästen ein schönes Grüßes getan. (808)

 

In wie hohen Freuden da empfing man sie!

Sie däuchte, dass Kriemhilde Frau Brunhilden nie

So wohl empfangen habe in Burgondenland.

Allen die es sahen ward hohe Wonne bekannt. (809)

 

Nun war auch Siegfried kommen mit seiner Leute Heer.

Da sah man die Helden sich wenden hin und her

Im Feld allenthalben mit ungezählten Scharen.

Da konnte sich vor Drängen und Stäuben niemand bewahren. (810)

 

Als der Wirt des Landes Siegfrieden sah

Und Siegmund den König, wie freundlich sprach er da:

“Nun seid mir hochwillkommen und all den Freunden mein;

Wir wollen hohes Mutes ob eurer Hofreise sein.” (811)

 

“Nun lohn euch Gott,” sprach Siegmund, der ehrbegierge Mann,

“Seit sich euch zum Freunde Siegfried gewann,

War es all mein Sinnen, wie ich euch möchte sehn.”

Da sprach der König Gunther: “Nun freut mich, dass es geschehn.” (812)

 

Siegfried ward empfangen wie man das wohl gesollt,

Mit viel großen Ehren; ein jeder war ihm hold.

Des half mit Rittersitten Gernot und Geiselher;

Man bot es leiben Gästen so gütlich wohl nimmermehr. (813)

 

Nun konnten in der Nähe sich die Königinnen schaun.

Da sah man Sättel ledig: da wurden schöne Fraun

Von der Helden Händen gehoben auf das Gras:

Wer gerne Frauen diente, wie selten der da müßig saß! (814)

 

Da gingen zueinander die Frauen minniglich.

Sehr darüber freuten viel der Ritter sich,

Dass der Beiden Grüßen so minniglich erging.

Da sah man manchen Recken der Frauendienste beging. (815)

 

Das herrliche Gesinde nahm sich bei der Hand;

Züchtiglich sich neigen man da nicht selten fand

Und minniglich sich küssen viel Frauen wohlgetan.

Das freuten sich zu schauen die in der Könige Bann. (816)

 

Sie versäumten sich nicht länger, sie ritten nach der Stadt.

Der Wirt seinen Gästen zu beweisen bat,

Dass man sie gerne sähe in der Burgonden Land.

Manches schöne Kampfspiel man vor den Jungfrauen fand. (817)

 

Da ließ von Tronje Hagen und auch Ortewein,

Wie sie gewaltig waren, wohl offenkundig sein;

Was sie gebieten mochten, das wurde gleich getan.

Man sah die lieben Gäste viel Dienst von ihnen empfahn. (818)

 

Mancher Schild erhallte vor der Veste Thor

Von Stichen und von Stößen. Lange hielt davor

Der Wirt mit seinen Gästen bevor sie zogen ein:

In Kurzweile mochten die Stunden rasch zerronnen sein. (819)

 

Vor den weiten Pallas sie nun in Freuden ritten.

Viel kunstreiche Decken, gut und wohl geschnitten,

Sah man von den Sätteln den Frauen wohlgetan

Allenthalben hangen: Da kamen Diener heran. (820)

 

Zu ihrer Ruhe brachte man die Gäste da.

Hin und wieder blicken man Brunhilden sah

Nach Kriemhild der Frauen; schön war sie genug:

Den Glanz noch vor dem Golde ihre hehre Farbe trug. (821)

 

Da vernahm man allenthalben zu Wormes in der Stadt

Den Jubel des Gesindes, König Gunther bat

Dankwarten seinen Marschall, er mög es wohl verpflegen:

Da ließ er das Gesinde in gute Herbergen legen. (822)

 

Draußen und darinnen beköstigte man sie:

So wohl gewartet wurde fremder Gäste nie.

Was einer wünschen mochte, das war ihm gern gewährt:

So reich war der König, es wurde keinem was verwehrt. (823)

 

Man dient' ihnen freundlich und ohn allen Hass.

Der König zu Tische mit seinen Gästen saß;

Siegfrieden ließ man sitzen wie er sonst getan.

Mit ihm ging zu den Stühlen mancher waidliche Mann. (824)

 

Zwölfhundert Recken sich an die Tafel hin

Mit ihm zu Tische setzten: Brunhild die Königin

Gedachte, wie ein Dienstmann nicht reicher möge sein.

Noch war sie ihm so günstig, sie ließ ihn gerne gedeihn. (825)

 

An jenem Abende, da so der König saß,

Viel reiche Kleider wurden da vom Weine nass;

Wenn die Schenken sollten zu den Tischen gehn,

Da sah man volle Dienste mit großem Fleiße geschehn. (826)

 

Wie bei den Gelagen immer Sitte mochte sein,

Ließ man zur Ruhe gehen Fraun und Mägdelein.

Von wannen wer gekommen, der Wirt ihm Sorge trug:

In gütlichen Ehren gab man da jedem genug. (827)

 

Als die Nacht zu Ende, sich hob des Tages Schein,

Da sah man aus den Kisten manchen Edelstein

Auf gutem Kleid erglänzen; das schuf der Frauen Hand.

Da ward hervorgesuchet manches schöne Gewand. (828)

 

Bevor es völlig tagte, da kamen vor den Saal

Ritter viel und Knechte: da hob sich wieder Schall

Vor einer Frühmesse, die man dem König sang.

So ritten junge Helden, der König sagt' ihnen Dank. (829)

 

Da klangen die Posaunen von manchem kräftgen Stoß;

Der Flöten und Trommeten Schallen ward so groß,

Worms die weite Veste gab lauten Widerhall.

Da kamen auf den Rossen die kühnen Helden überall. (830)

 

Da hob sich in dem Lande ein hohes Ritterspiel

Von manchem guten Recken: Da sah man ihrer viel,

Deren junge Herzen füllte froher Mut.

Man sah da unter Schilden viel Ritter zierlich und gut. (831)

 

Da saß in den Fenstern manch herrliches Weib

Und viel der schönen Maide: Gezieret war ihr Leib.

Da sahen sie turnieren manchen kühnen Mann:

Der Wirt mit seinen Freunden zu reiten selber begann. (832)

 

So vertrieben sie die Weile, die däuchte sie nicht lang.

Da lud sie zum Dome mancher Glockenklang:

Den Frauen kamen Rosse, da ritten sie hindann;

Den edeln Königinnen folgte mancher kühne Mann (833)

 

Sie stiegen vor dem Münster nieder auf das Gras.

Noch hegte zu den Gästen Brunhilden keinen Hass.

Sie gingen unter Krone in das Münster weit:

Bald schied sich diese Liebe: Das wirkte heftiger Neid. (834)

 

Da sie gehört die Messe, sah man sie weiter ziehn

Unter hohen Ehren. Sie gingen heiter hin

Zu des Königs Tischen. Ihre Freude nicht erlag

Bei diesen Lustbarkeiten bis gegen den elften Tag. (835)

 

* Die Königin gedachte: “Ich wills nicht länger tragen.

Wie ich es fügen möge, Kriemhilde muss mir sagen

Warum uns doch so lange den Zins versaß ihr Mann:

Der ist doch unser Eigen: Der Frag ich nicht entraten kann.” (836)

 

* So harrte sie der Stunde, bis es der Teufel riet,

Dass sie das Hofgelage und die Lust mit Leide schied.

Was ihr lag am Herzen, zu früh nur musst es kommen:

Drum ward in manchen Landen durch sie viel Jammer vernommen. (837)

 

Abenteuer