Wie Kriemhilde Hagen empfing

 

 

Als die Burgonden kamen in das Land,

Da erfuhr es von Berne der alte Hildebrand.

Er sagt es einem Herren: Es war ihm höchlich leid;

Er hieß ihn wohl empfangen die Ritter kühn und allbereit. (1767)

 

Da ließ der schnelle Wolfhart die Pferde führen her;

Da ritt mit Dietrichen mancher Degen hehr,

Der sie begrüßen wollte, zu ihnen auf das Feld:

Sie hatten aufgeschlagen gar manches herrliche Zelt. (1768)

 

Als sie von Tronje Hagen von ferne reiten sah,

Wohl gezogen sprach er zu seinen Herren da:

“Nun hebt euch von den Sitzen, ihr Recken wohlgetan,

Und geht entgegen denen, die euch hier wollen empfahn. (1769)

 

“Dort kommt ein Heergesinde, das ist mir wohl bekannt:

Es sind viele schnelle Degen von Amelungenland,

Die führt der von Berne, sie sind von hohem Mut:

Ihr sollt sie nicht verschmähen, die Dienste, die man euch tut.” (1770)

 

Da sprang von den Rossen, so war es Fug und Recht,

Mit Dietrichen nieder mancher Herr und Knecht.

sie gingen zu den Gästen, als man die Helden fand;

Sie begrüßten freundlich die von der Burgonden Land. (1771)

 

Als sie der Degen Dietrich ihm entgegenkommen sah,

Nun mögt ihr gerne hören was der Degen da

Sprach zu Utens Söhnen: Leid war ihm ihre Fahrt;

Er wähnte, Rüdgers wüsst es und hätt es ihnen offenbart. (1772)

 

“Willkommen mir, ihre Herren, Gunther und Geiselher,

Gernot und Hagen, Herr Volker auch so sehr,

Und Dankwart der schnelle; ist euch das nicht bekannt?

Kriemhilde weint noch immer um den von Nibelungenland.” (1773)

 

“Sie mag noch lange weinen,” sprach dawider Hagen:

“Er liegt seit manchem Jahre schon zu Tod erschlagen.

Den König von den Heunen mag sie nun lieber haben:

Siegfried kommt nicht wieder, er ist nun lange begraben.” (1774)

 

“Siegfriedens Wunden, die lassen wir nun stehn:

So lang Kriemhilde lebet, mag Schade wohl geschehn.”

So redete von Berne der Degen Dieterich:

“Trost der Nibelungen, davor so hüte du dich!” (1775)

 

“Wie soll ich mich behüten?”, sprach der König hehr,

“Etzel sandt uns Boten; was sollt ich fragen mehr?

Dass wir zu ihm sollten reiten in das Land.

Auch hat uns manche Märe meine Schwester Kriemhild gesandt.” (1776)

 

“So will ich euch raten,” sprach wieder Hagen,

“Lasst euch diese Märe doch zu Ende sagen,

Von Dieterich dem Herren und seinen Helden gut,

Damit wir wissen mögen der Frau Kriemhilde Mut.” (1777)

 

Da gingen die drei Könige und sprachen unter sich,

Herr Gunther und Gernot und auch Herr Dieterich:

“Nun sag uns, von Berne du edler Ritter gut,

Was du wissen mögest von der Königin Mut.” (1778)

 

Da sprach der Vogt von Berne: “Was soll ich euch sagen?

Als dass ich alle Morgen weinen hör und klagen

Die Königin Kriemhilde in jämmerlicher Not

Zum reichen Gott vom Himmel um des starken Siegfried Tod.” (1779)

 

“Es ist nun nicht zu wenden,” sprach der kühne Mann,

Volker der Fiedler, “was ihr uns kund getan:

Lasst uns zu Hofe reiten und einmal dort besehn

Was uns schnellen Degen bei den Heunen möge geschehn.” (1780)

 

Die kühnen Burgonden hin zu Hofe ritten:

Sie kamen stolz gezogen nach ihres Landes Sitten.

Da wollte bei den Heunen gar mancher kühne Mann

Von Tronje Hagen schauen, wie der wohl wäre getan. (1781)

 

Es war durch die Sage dem Volk bekannt genug,

Dass er von Niederlanden Siegfrieden schlug,

Aller Recken Stärksten, Frau Kriemhildens Mann;

Drum wurde großes Fragen bei Hof nach Hagen getan. (1782)

 

Der Held war wohl gewachsen, das ist sicher wahr,

Von Schultern breit und Brüsten, gemischt war sein Haar

Mit einer greisen Farbe, von Beinen war er lang

Und schrecklich von Gesichte, er hatte herrlichen Gang. (1783)

 

Da schuf man Herberge den Burgonden-Degen;

Gunthers Ingesinde ließ man gesondert legen.

Das riet die Königstochter, die ihm viel Hasses trug;

Daher man bald die Knechte in der Herberg erschlug. (1784)

 

Dankwart, Hagens Bruder, der war Marschall;

Der König sein Gesinde ihm fleißig anbefahl,

Dass er es wohl verpflege und ihm gebe genug:

Der Held von Burgonden ihm geneigten Willen trug. (1785)

 

Kriemhild die schöne mit dem Gesinde ging,

Wo sie die Nibelungen mit falschem Mut empfing;

Sie küsste Geiselheren und nahm ihn bei der Hand.

Als Hagen das erschaute, den Helm er fester überband. (1786)

 

“Nach so getanem Gruße,” sprach Hagen deswegen,

“Mögen sich bedenken diese schnellen Degen:

Man empfängt die Fürsten ungleich und der Fürsten Bann;

Eine schlimme Reise haben wir zu dieser Hochzeit getan.” (1787)

 

Sie sprach: “Seid willkommen dem der euch gern empfäht;

Eurer Freundschaft willen kein Gruß an euch ergeht.

Sagt, was ihr mir bringet von Wormes überrhein,

Dass ihr mir so höchlich hier willkommen solltet sein?” (1788)

 

“Was sind das für Mären,” sprach Hagen dagegen,

“Dass euch Gaben sollten bringen diese Degen?

Da ich so reich euch wusste und kannte eure Macht,

Wie hätt ich meine Gabe zu den Heunen wohl gebracht?” (1789)

 

“Nun frag ich um die Märe weiter bei euch an:

Den Hort der Nibelungen, wohin ihr den getan?

Der war ja doch mein eigen, das ist euch wohlbekannt:

Den hättet ihr mir sollen bringen her in Etzels Land.” (1790)

 

Meine Frau Kriemhilde, wahrlich schon mancher Tag war da,

Den Hort der Nibelungen, seit ich den nicht sah,

Den ließen meine Herren versenken in den Rhein:

Da muss er auch in Wahrheit bis zum jüngsten Tage sein.” (1791)

 

Da sprach die Königin wieder: “Ich hatt es wohl gedacht,

Ihr habt mir noch wenig davon hieher gebracht,

Wiewohl er war mein eigen und ich sein weiland pflag;

Drum hab ich leide Stunden und manchen traurigen Tag.” (1792)

 

“Ich bring euch den Teufel!”, sprach da Hagen,

“Ich hab an meinem Schilde genug zu tragen,

Und an meinem Harnisch; mein Helm, der ist so licht,

Das Schwert in meinen Händen: Darum bring ich ihn euch nicht.” (1793)

 

* “So wars auch nicht gemeinet, dass ich das Gold begehre:

So viel hab ich zu geben, dass ich es leicht entbehre.

Eines Mords und Doppelraubes, die man an mir genommen,

Dafür möcht ich Arme zu lieber Vergeltung kommen.” (1794)

 

Da sprach die Königstochter zu den Recken allzumal:

“Man soll keine Waffen tragen in dem Saal;

Vertraut sie mir, ihr Helden, zur Verwartung an.”

“Wahrhaftig,” sprach da Hagen, “das wird nimmer getan.” (1795)

 

“Ich begehre nicht der Ehre, Fürstentochter mild,

Dass ihr zur Herberge traget meinen Schild

Und ander Streitgeräte; ihr seid eine Königin:

So lehrte mich mein Vater, dass ich selbst ihr Hüter bin.” (1796)

 

“O weh dieses Leides!”, sprach da Kriemhild:

“Warum will mein Bruder und Hagen seinen Schild

Nicht bewahren lassen? Gewiss, sie sind gewarnt:

Und wüsst ich wers gewesen, den hielte der Tod umgarnt.” (1797)

 

Im Zorne gab ihr Antwort Dieterich sogleich:

“Ich bin es, der gewarnt hat die edeln Fürsten reich,

Und Hagen auch den kühnen in der Burgonden Bann:

Nur zu, du Braut des Teufels, du tust darum mir kein Leid an.” (1798)

 

Da schämte sich gewaltig die edle Königin;

Sie fürchtete gar übel Dietrichens Heldensinn.

Sie ging schnell von dannen, nichts mehr sprach sie da,

Nur dass sie nach den Feinden mit geschwinden Blicken sah. (1799)

 

Da nahmen bei den Händen zwei der Degen sich,

Der eine war Hagen, der andre Dieterich.

Da sprach wohlgezogen der Degen allbereit:

“Eure Reise zu den Heunen, die ist in Wahrheit mir leid, (1800)

 

Da die Königin also zu euch gesprochen hat.”

Da sprach von Tronje Hagen: “Noch wird zu allem Rat.”

So redeten einander die kühnen Degen an.

Das sah der König Etzel, der gleich zu fragen begann: (1801)

 

“Die Märe wüsst ich gerne,” befrug der König sich,

“Wer jener Recke wäre, den dort Herr Dieterich

So freundlich hat empfangen; wohl trägt er hoch den Mut;

Wie auch sein Vater heiße, er mag wohl sein ein Recke gut.” (1802)

 

Da gab dem König Antwort einer aus Kriemhilds Bann:

“Von Tronje ist er geboren, sein Vater hieß Aldrian;

Wie heiter er gebare, er ist ein grimmer Mann:

Er lässt euch wohl noch schauen, dass ich keine Lüge getan.” (1803)

 

“Wie soll ich das erkennen, dass er so grimmig ist?”

Noch hatt er keine Kunde von mancher argen List,

Die wider ihre Freunde die Königin spann,

Dass aus dem Heunenlande ihr auch nicht einer entrann. (1804)

 

“Wohl kannt ich Aldrianen, er war mein Untertan,

Lob und große Ehre er hier bei mir gewann:

Ich macht ihn selbst zum Ritter und gab ihm meinen Sold;

Weil er sich treu erzeigte, war ich ihm von Herzen hold. (1805)

 

“Daher ist mir von Hagen auch alles wohlbekannt.

Zwei edle Kinder bracht ich als Geisel in das Land:

Ihn und von Spanien Walther; die wuchsen hier heran.

Hagen sandt ich wieder heim, Walther mit Hildegund entrann.” (1806)

 

Er gedachte lieber Märe und was vordem geschehn;

Seinen Freund von Tronje, wohl hat er den gesehn,

Der ihm in seiner Jugend oft große Dienste bot:

Jetzt schlug er ihm im Alter viel lieber Freunde zu Tod. (1807)

 

Abenteuer