Stilwerte der Satzgliedfolge

Die Wortstellung unterliegt im deutschen Satz bestimmten grammatischen Normen. Sie wird auch nach bestimmten kommunikativen Prinzipien geregelt. Grammatisch festgelegt ist vor allem die Stellung der verbalen Glieder. Vom kommunikativen Standpunkt aus besteht die Normalstellung darin, dass man vom Bekannten zum Neuen, Unbekannten schreitet. Das Satzglied, als Träger des Neuen, Unbekannten erhält den höchsten Mitteilungswert in der Aussage, es tritt unmittelbar an oder vor das Ende des Satzes. Das Glied am Anfang des Satzes trägt das Thema der Mitteilung. Die Normalstellung der Satzglieder entspricht der natürlichen Folge des Denkverlaufs.

Der sprachliche Gebrauch bewirkt eine große Variabilität der Satzgliedfolge. Je ungewöhnlicher die Wortfolge im Satz ist, desto stärker lässt sich die Expressivität der Aussage fühlen.

Bei der stilistischen Anfangsstellung macht das Subjekt dem Wort oder der Wortgruppe Platz, die hervorgehoben werden müssen. Es entsteht eine Wortfolge, der stilistische Motive zugrunde liegen. Die wechselnde Stellung des Subjekts im Satz wird in der Grammatik gewöhnlich als Inversion bestimmt, daher unterscheidet man die invertierte und die gerade Wortfolge des Satzes. Zum Unterschied vom Begriff „grammatische Inversion“ muss man alle möglichen Fälle der expressiven Anfangsstellung im Satz als „stilistische Inversion“ betrachtet. E. Riesel und E. Schendels bezeichnen sie als „expressive Hervorhebung“, die gewisse Stileffekte bewirkt [19, S. 140].

Man beobachtet bei der stilistischen Anfangsstellung folgende Variationen:

1. Das Verbum finitum/infinitum als Anfang des Satzes, z.B.:

Sah ein Knab ein Röslein stehn...

Zwingen will ich dich nicht...

Fortgehen will ich.

2. Das Objekt am Anfang des Satzes, z.B.:

Das Staunen vergisst man nicht mehr... . (Chr. Wolf)

Mit den letzten Pfennigen Stipendium bezahlt sie den billigen dunklen Kuchen... (Chr. Wolf)

Dieses Buch borge ich ihm nicht.

3. Bestimmte Arten der Adverbialbestimmung am Anfang des Satzes:

In Schweiß gebadet, völlig außer Atem, kam er wieder in belebtere Gegenden. (B. Kellermann)

Die stilistische Endstellung ist ein syntaktisches Ausdrucksmittel für jene Satzglieder, die gewöhnlich in der Anfangsstellung oder in der Mitte stehen, vor allem für das Subjekt.

Genauso wie die stilistische Anfangsstellung dient die stilistische Endstellung im Allgemeinen der Hervorhebung eines bestimmten Begriffs und der Emotionalisierung der ganzen Aussage, z.B.:

Von diesen Städten wird bleiben, der durch sie hindurch ging: der Wind!

Die Stellung des Verbum finitum am Ende des Satzes ist auch ungewöhnlich und wirkt expressiv:

Der Weg ins neue Leben viele steile Hänge hat. (J.R. Becher)

Als eine spezielle syntaktisch-stilistische Erscheinung ist die Ausklammerung(Ausrahmung). Bestimmte Wörter oder Satzteile treten dabei aus ihrer gewöhnlichen Stellung innerhalb des Satzes hinter die Satzklammer (den Satzrahmen); es macht den Eindruck, dass sie aus dem verbalen Rahmen (der verbalen Klammer) speziell hinausgenommen, also ausgeklammert werden. Die Ausklammerung verleiht der Aussage eine expressive Färbung, z.B.:

Plötzlich, keiner wusste so recht, wie es kam, fingen beide an zu lachen, verrückt und albern und toll.

Dank der Ausklammerung wird dieser Satz in vier Abschnitte eingeteilt; zugleich wird der letzte Teil hervorgehoben, da nach der Entspannung, durch das Verb „lachen“ ausgelöst, ein neuer Spannungsbogen einsetzt. Gewöhnlich wird eine Wortgruppe ausgeklammert, nicht ein Wort.

Noch eine interessante Erscheinung ist mit der Ausklammerung verwandt – die Isolierung(absolute Absonderung, Parzellierung). Die ausgeklammerten Satzteile bekommen eine relative Selbständigkeit und erscheinen in der Form von selbständigen Sätzen:

Das Holz, ich muss ja das Holz haben. Für uns. Für morgen. (W. Borchert)

Alle oben charakterisierten Variationen der Satzgliedfolge als stilistische Ausdrucksmöglichkeiten existieren im Bereich des Alltagsverkehrs, in der schönen Literatur, weniger ausgeprägt in der Presse und Publizistik.

 

Thema 6.PHONETIK AUS STILISTISCHER SICHT

Plan:

1. Lautmalerei (Onomatopöie).

2. Alliteration.

3. Assonanz.

4. Die graphischen Mittel.

5. Rhythmus.

6. Satzmelodie.

 

1.DieLautmalerei (Onomatopöie) bezeichnet eine bewusste Verwendung gewisser Laute zu stilistischen Effekten [19, S. 193]. Ihre Wurzeln stecken in der Volkssprache und der Volksdichtung. Die Onomatopöie geht auf Nachahmung von Naturgeräuschen zurück. Die Lautnachahmung bildet in jeder Sprache verschiedene Traditionen aus. Im Deutschen wird das “Sausen” des Windes, das “Rauschen” des Wassers, das “Zischen” der Flamme oft durch Zischlaute wiedergegeben. Manchmal, aber keineswegs immer, drücken die Vokale der vorderen Reihe i, ü (ei,e) hohe Tier- und Vogelstimme aus, z.B.: piepsen, zwitschern, trillern, miauen oder überhaupt Naturgeräusche mit hoher und dünner Stimme, z.B.: Der Philister blinzelt mit Äuglein und kichert und lispelt (H. Heine. Harzreise).

Der Vokal „u“ dagegen wird manchmal zur Nachahmung des Tiefen und Dunklen benutzt: dumpf, plump, dunkel.

Ähnlich entspricht dem Vokal „a“ mitunter die Nachahmung eines krachenden Naturlauts, eines knarrenden Geräusches: krach, knacks, trapp, z.B.: Nun dappelts, und rappelts und klapperts im Saal von Bänken und Stühlen und Tischen... (J.W. Goethe. Hochzeitlied).

 

2.DieAlliteration ist die Wiederholung desselben Konsonanten im Anlaut. Die Alliteration trat ursprünglich in der altgermanischen Dichtung im sog. Stabreim auf. In der neueren Literatur spielt die Alliteration eine viel geringere Rolle, gewöhnlich als bloßes Klangschmuckmittel, vor allem in den schon besprochenen Zwillingsformeln wie „über Stock und Stein“, „angst und bang“ usw. Charakteristisch dabei ist der Lautwechsel von „i“ zu „a“ in den Paarformeln: singen und sagen, klipp und klar, dies und das. Das betrifft auch neue Wörter, die auf alliterarische Lautnachahmung zurückgehen, z.B.:zickzack, tick-tack, Mischmasch, Tingeltangel usw.

 

Assonanz

DieAssonanz bezeichnet den Gleichklang der inlautenden Vokale bei Verschiedenheit der Konsonanten. Dieses Stilmittel wird ziemlich selten gebraucht, z.B.: ... oder man tändelt und schäckert mit dem lieben, zärtlichen Engelein. (H. Heine. Buch Le Grand).

Auch in manchen lautmalerischen Versen der Romantiker (Brentano, W. Schlegel) kommt die Assonanz als Klangschmuckmittel vor. Außerdem zeigen manche Zwillingsformeln Assonanzen, z.B. von echtem Schrot und Korn, ganz und gar usw.

4.Die graphischen Mittel betreffen bewusste Willkür in der Schreibweise solcher Wörter, die besonders betont werden sollen. Sie gelten als schriftliches äquivalent bestimmter Lauteffekte, wie das übermässige Dehnen mancher Vokale, die Wiederholung von Konsonanten, die Entstellung von Fremdwörtern, die Trennung der Silben bei Verlangsamung des Tempos durch Gedankenstriche, die Häufung von Pünktchen beim Stokken der Rede usw., z.B.:

Ich saaage Ihnen,

V-Vater?

Kusäng (Cousin),

buch-stäb-lich,

Sieh mal einer an... !

5.Der Rhythmus spielt eine besondere Bedeutung in der Poesie. Auch in der Prosa bezieht sich der Rhythmus auf die Verteilung der Akzente und der Pausen sowie das Tempo der Rede und die Tondauer. Die rhythmische Ablauffolge ist in der gebundenen Rede der Poesie meistens streng geregelt (nicht aber in den sog. freien Rhythmus), in der Prosa dagegen ungeregelt. Für den Prosarhythmus wichtig ist der Begriff der Sprach- oder Atemgruppe, die in einem Atemzug gesprochen wird:

Abendlicher blasser wir es am Meer,

Und einsam, mit seiner einsamen Seele,

Sitzt dort ein Mann auf dem kahlen Strand.

Und schaut todkalten Blickes hinauf

Nach der weiten, todkalten Himmelswölbung (Der Gesamg der Okeaniden).

 

6.Die Satzmelodiebezeichnet gewöhnlich die musikalische Stimmbewegung zwischen Tonhöhen und Tonsenkungen. Die steigende Satzmelodie kommt in der Regel in Fragesätzen vor, die fallende dagegen in Aussagesätzen. Zur stilistischen Erfassung der Satzmelodie ist es nötig, eine Reihe von besonderen Melodieerscheinungen des Textes zu verstehen:

a) Die Tonführung hängt stark von der emotionalen Färbung des Satzes oder des Textes ab; sie kann dann schmeichelnd, zornig, leidenschaftlich, spielend usw. sein;

b) die Tonstärke bezeichnet, ob die Rede laut, leise, gedämpft, flüsternd usw. zu sprechen sei;

c) die Tonfarbe bezeichnet den Klang der Satzmelodie (milde, weich, ehern, metallen);

d) die Tonlage betrifft die Bestimmung der Tonhöhe der Rede (hoch, tief, mittel). Zum Beispiel:

Wer reitet so spät durch Nacht und Wind?

Es ist der Vater mit seinem Kind;

Er hat den Knaben wohl in dem Arm;

Er fasst ihn sicher, er hält ihn warm.

„Mein Sohn, was birgst du so bang dein Gesicht?“ –

„Siehst, Vater, du den Erlkönig nicht?

Den Erlkönig mit Kron und Schweif?“ –

Mein Sohn, es ist ein Nebelstreif“. – ..... (J.W. Goethe. Erlkönig)

 

Thema 8. MAKROSTILISTIK

Plan:

1. Zum Problem der Darstellungsarten.

2. Erzählperspektive.

3. Rededarstellung

3.1. Die direkte Rede.

3.2. Die indirekte Rede.

3.3. Die erlebte Rede.